Nicht Zeus
Nach langer Zeit der erste
Wind. Keinen Namen
trägt er mir zu. Nur sich
selbst. Er streift meine
empfindsam gewordene
Schläfe, die gezackte
Ader entlang
Wie froh ich bin
kein Zeus zu sein
dem der Blitz aus der Hand herniederfährt
Unwürdige zu bestrafen
In einem Raum
Lärmendes, lebenstüchtiges
Lachen im Weinlokal
Und am Seitentisch eine
von den Jahren Gefaltete
die still mit knöchrigen
Fingern Bestecke sortiert
Im selben Moment
Die Biene – wenn sie
sticht – sie stirbt
Wie angemessen und
die Welt erhellend
wäre eine ähnliche Unnachgiebigkeit
auch beim Menschen
Sterben, indem man tötet
Andacht
Die im Uhrzeigersinn ruckenden
Wasser schießenden Rasensprenger
In meiner Kindheit
waren sie plötzlich da
und ich blickte zu ihnen hinüber
als wohnte ich einem heiligen
Vorgang bei, tief gläubig noch
allem Technischen gegenüber
Wie war es möglich, etwas so
Wunderähnliches zu erfinden
den gießenden Menschen
an Gerechtigkeit weit überbietend
Wolfgang Denkel, Jahrgang 1958, lebt nach einem Studium der Germanistik und Philosophie als Schriftsteller, Maler und Bildhauer in Hamburg. Sein Romandebut ›Ja. Nein. Ja‹ erschien 2008 beim Grazer Literaturverlag Droschl, sein erster Lyrikband ›Schulterblatt‹ 2018 bei Hammer + Veilchen. Zurzeit arbeitet Wolfgang Denkel an ›Beschriftungen‹ bzw. Kürzesttexten, von denen wir demnächst Auszüge vorab veröffentlichen.