Der 12jährige Malte tut sich nicht leicht mit dem Leben und mit Kontakten zu anderen. Wie gut, dass es die Mathematik gibt, ein Rückzugsgebiet, in dem alles nach Regeln läuft. Von ANDREA WANNER
In der Welt der Zahlen abzutauchen, mathematische Rätsel und Aufgaben zu lösen, mit Tangens und Kosinus zu jonglieren: Da blüht der Junge auf. ER ist seinen Altersgenossen weit voraus, besucht die Mathe-AG und sein Ziel ist die Matheolympiade. Da will er hin.
Und dann wird seine ganze, geordnete Welt von einem Tag auf den anderen komplett durcheinandergebracht, und das gleich an zwei Stellen. Daheim zieht Josefine ein, seine 17jährige Halbschwester, weil deren Mutter nach einer Krebs-OP in der Reha ist. Und in der Mathe-AG taucht ein Mädchen aus einer anderen Schule auf, Lale, die die Zahlen mindestens so gut im Griff hat wie er. An beiden Stellen eskaliert die Situation, die Malte schlicht überfordert. Aber das Leben ist nun mal keine Rechenaufgabe und ausgerechnet die widerspenstige, unangepasste Josefine hat so ein paar Ideen, die auch ihrem kleinen Halbbruder helfen können.
Nikola Huppertz erzählt die Geschichte aus der Perspektive des Jungen, der in vielen Dingen noch sehr kindlich ist und Ablöseprozesse als sehr schmerzhaft erlebt. Malte hat keine Freunde – wie schnell er dann im Laufe der Geschichte doch welche findet, ist leider eine nicht sehr überzeugende Nebenhandlung –, er fügt über schreckend wenig Sozialkompetenz und hat keine Impulskontrolle. Seine Lösung ist der Rückzug in eine Parallelwelt. Nicht die die der Computerspiele, sondern eine, die die Erwachsenen gut finden und respektieren.
Dabei übersehen sie seine Gründe. Josefine ist die Erste, die ihm wirklich auf Augenhöhe begegnet, die ihm unangenehme Fragen stellt, die Andeutungen zur Familiengeschichte macht, die ihn irritieren und verstören. Dass sie nebenbei eine Meisterin des Wortes ist und ihre eigenen Gefühle in Gedichte packt, ist für den vermeintlich so rational denkenden Siebtklässler eine Verunsicherung. Was ist, wenn letztlich Worte doch mehr ausrichten können als Zahlen? Oder kann man die beiden Welten vielleicht sogar unter einen Hut kriegen? Die Leichtigkeit, mit der sich Lale diesen Dingen nähert, ärgert ihn. Aber neben Ärger ist da auch noch etwas anderes.
Eine spannende Geschichte, die in einem lockeren und witzigen Ton von ernsten Dingen spricht und Malte in einer entscheidenden Phase seines Lebens ein Stück begleitet. Wer Lust hat, den lädt der Tulipan-Verlag zu einer Live-Lesung mit Nikola Huppertz am 11. Februar um 16:30 Uhr ein. Dazu kann man sich kostenfrei unter diesem Link registrieren.
Ganz sicher verrät sie bei dieser Lesung auch, was es mit Maltes und Lales Lieblingszahlen, der 8 und der 11 auf sich hat. Ansonsten lohnt sich der Blick ins Buch, das mit Zahlenvignetten und Illustrationen von Barbara Jung sehr einladend gestaltet ist.
Titelangaben
Nikola Huppertz: Schön wie die Acht
München: Tulipan 2021
224 Seiten, 14 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander
Reinschauen
| Leseprobe