Jugendbuch | Anne Fleming: Ziegen bringen Glück
Angeblich bringt eine Ziege Glück, wenn man sie sieht. Sieben Jahre Glück sogar. Das wäre eine prima Sache, findet Kid. Nur ob tatsächlich eine Bergziege auf dem Dach eines New Yorker Hochhauses lebt? ANDREA WANNER war neugierig.
Die 11jährige Kid und ihre Eltern verbringen ein paar Monate in New York. Kids Mutter wegen ihres Theaterstücks, Kids Vater, weil er sein Buch fertig schreiben will und Kid natürlich, weil sie nicht alleine bei ihrer Katze in Toronto bleiben kann. Und alle gemeinsam sollen die Wohnung und den Hund von Vaters Cousin hüten. Die Wohnung ist direkt am Central Park, der Hund heißt tatsächlich Cat und Kid ist das alles nur sehr bedingt geheuer.
Tiere mag sie, Cat ist ihr sofort sympathisch, obwohl sie sehr an ihrer Katze hängt. Die Hausaufgaben sind auch kein Problem. Aber Kid ist furchtbar schüchtern. Fremde Menschen machen sie nervös, sie kann ihnen nicht in die Augen schauen und nicht mit ihnen reden. Und dann lernt sie Will kennen, genauso alt wie sie. Will hat nicht nur seine Eltern verloren, sondern auch Probleme. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach der ominösen Bergziege, ganz systematisch, mit einem Plan.
Anne Fleming versammelt eine bunte Mischung aus Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und ganz verschiedenen Geschichten in dem Hochhaus. Alle haben sie irgendwie mit der Ziege zu tun. Oder brauchen ein bisschen Glück in ihrem Leben.
Da ist Kenneth P. Gill, der Manhattan mag, aber nicht gern wandert. Warum er es trotzdem einmal noch macht und was deshalb geschieht, ist eine lange Geschichte, die viel mit der Ziege zu tun hat. Da sind Lisa und Bob, Kids Eltern, und Dr. Lomp, Wills Großmutter. Da ist Jonathan, der einen Schlaganfall hatte und Doris, seine Frau, die sich so sehr wünscht, dass er sich mehr Mühe beim Gesundwerden gibt. Da ist der blinde Joff Vanderlinden, der ein Meister auf dem Skateboard ist, eine Schreibblockade hat und in Mara verliebt ist. Und Michigan, sein Blindenhund. Da ist Julio, der Portier. Und Mrs Grbcz. Und alle könnten sie Ziegenglück brauchen.
Fleming erzählt schlicht hinreißend. Komisch, anrührend, überraschend. Sie nimmt jede ihrer Figuren ernst, schildert Besonderheiten und Wesenszüge ebenso knapp wie anschaulich. Und sie ist eine Meisterin darin, sich in das Leben einer jungen Bergziege auf einem Hochhaus einzufühlen.
Die Ziege begegnet einem beim Lesen ein paar Mal auf die Strichzeichnungen von Philip Waechter: das sind unvergessene Begegnungen, in denen das Tier frisst und knabbert, guckt und springt. Und das ist ein Vorsprung der Leserinnen und Leser gegenüber den meisten der Hochhausbewohner. Denn die Ziege ist ganz schön schlau und hält sich versteckt. Aber Kid und Will sind ihr auf der Spur. Und Glück haben sie am Ende irgendwie alle.
Titelangaben
Anne Fleming: Ziegen bringen Glück
(The Goat, 2017) Aus dem Englischen von Ingo Herzke
Mit Bildern von Philip Waechter
Hamburg: Carlsen 2019
160 Seiten, 10,99 Euro
Jugendbuch ab 10 Jahren
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