Drei Gedichte

Lyrik | Peter Engel: Drei Gedichte

Ins Reine

Auf den Rückseiten von Bedrucktem
die vorläufigen Zeilen,
damit sie sich entschlacken
und fester werden.

 

Überschreibungen zuhauf,
um Falsches zu überdecken
und das Gold herauszuziehn,
es zum Glänzen zu bringen.

 

Noch ein paar Feilspäne weg,
Krümel schlechter Gefühle
und ein holziger Mißmut,
das alles unter den Tisch.

 

 

Die richtigen Wörter

Ich schreibe mich täglich hin
und verworte mich,
zeichne mich möglichst genau nach
und messe die Fallen aus,
in die ich immer tappe.

 

Meine Empfindlichkeit für
falsche Sätze wächst mit
jedem Tag, ich streiche sie an,
sollte sie aber rausschneiden
aus den zu dicken Büchern.

 

Die richtig klingenden Wörter
versammeln sich gern mit
ihresgleichen und geben sich
in den Versen die Hand,
fallen sich in die Arme.

 

 

Gedichtgedanke

Ehe er auf dem Papier erscheint,
keimt er schon lange im Kopf
und probiert sein Wachsen aus,
streckt sich in alle Richtungen
und bildet Sprößlinge aus.

 

Schließlich wagt sich die erste Zeile
hervor und nimmt Gestalt an,
zieht langsam die anderen nach
und verbindet sie miteinander
zu einem haltbaren Geflecht.

 

Am Ende offenbart sich
der unverhüllte Gedanke,
sagt sich mit eigenen Worten
selbst aus und steht da
wie eine richtige Wahrheit.

 

| PETER ENGEL

Peter Engel, 1940 in Eutin/Holst. geboren, lebt als freier Schriftsteller, Kritiker und Kunstsammler in Hamburg, er veröffentlichte Lyrik, Kurzprosa, Aufsätze und Rezensionen in Zeitschriften und Anthologien sowie mehrere Lyrikbände; die hier abgedruckten Gedichte, in denen der Autor den Schreibprozeß selbst beobachtet, sind noch unveröffentlicht.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Schöngeist der Belle Époque

Nächster Artikel

Eskalation

Weitere Artikel der Kategorie »Live«

Ein Spiel in den Wellen, ein wanderndes Haus und viele Bücher aus aller Welt

Thema | Ein Gang über die ›Internationale Kinder- und Jugendbuchmesse‹ in Bologna 2025

Für die ›Frankfurter Allgemeine Zeitung‹ scheint es ein wichtiges Kriterium für gute Literatur zu sein, dass ein Buch in Deutschland erschienen ist. Anders ist es kaum zu erklären, wenn man dort über die Preisträgerin des Astrid Lindgren Gedächtnispreis lesen muss: »Noch ist kein einziges ihrer Bücher ins Deutsche übersetzt worden, aber den mit 460.000 Euro dotierten Kinder- und Jugendbuchpreis hat die französische Schriftstellerin Marion Brunet jetzt schon erhalten.« Dabei ist die ›Internationale Kinder- und Jugendbuchmesse‹ in Bologna grade für ihre Weltoffenheit bekannt, so viel ist zu entdecken, was in anderen Ländern erscheint, für sie wichtig ist. Auch dieses Jahr sind SUSANNE MARSCHALL und GEORG PATZER über die wichtigste Kinderbuchmesse der Welt gegangen.

Mamma Mia!

Bühne | Show: Thank you for the Music Auffallende Kostüme waren nur eines der Markenzeichen ABBAs. Heute, 46 Jahre nach dem Überraschungserfolg ›Waterloo‹ beim Grand Prix Eurovision de la Chanson, seit 2002 Eurovision Song Contest genannt, begeistert ihre Musik nach wie vor viele Generationen. Und das, obwohl sie seit 11. Dezember 1982 nicht mehr auftraten. ANNA NOAH lässt sich mitnehmen, auf eine Reise in die Vergangenheit.

Täuschen und Blenden

Bühne | Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

»Mehr Schein als Sein« – dieses geflügelte Wort ist dem ein oder anderen sicherlich bekannt. Auch auf das Wesen eines Hochstaplers trifft das zu, versucht er doch auf charmante Art und Weise anderen falsche Tatsachen vorzuspielen und sie zu manipulieren. ›Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull‹ von Thomas Mann ist ein Beispiel dafür, wie der weitverbreitete Narzissmus in unserer Gesellschaft Menschen zu teils lächerlichen Marionetten werden lässt, die durch Manipulation gesteuert werden und sich am Ende ihre eigenen Lügen selbst nicht mehr glauben. Von JENNIFER WARZECHA

A Neverending Story

Bühne | Train to Pakistan im Theater das Zimmer Ein Zug voller Leichen, ein geteiltes Land, eine friedliche Gemeinschaft vor der großen Frage: Flucht oder Vertreibung? Kann eine junge Liebe den Hass besiegen? Wir sehen die Glaubenskonflikte vor unseren Augen, jedoch meist nicht den Rest der Welt. Wir verschließen sie – kann es denn nur »Auge um Auge« geben, um zu überleben? Von MONA KAMPE

Eine Reise quer durch Raum und Zeit

Bühne | Musiktheater: Mozarts ›Requiem‹ Wolfgang Amadeus Mozarts (1756-1791) letzte Komposition ›Requiem‹ ist nicht nur ein sehr emotionales Werk und gleichzeitig ein Abbild der Reise zwischen Leben und Tod. Es ist ein »Stück über Menschen, die gestorben sind und wieder aufgewacht sind, die also scheintot waren«, so Guido Markowitz, Ballettdirektor und verantwortlich für die Choreographie der Pforzheimer Fassung. Von JENNIFER WAREZECHA