Es ist schon lange her, rund 500 Jahre, und doch ist das Abenteuer der Weltumsegelung von 1519 immer noch ein fesselndes Abenteuer: Magellan und 265 Mann Besatzung auf fünf hölzernen Schiffen starten im September vom südspanischen Sanlúcar de Barrameda. Der portugiesische Seefahrer bricht auf im Auftrag der spanischen Krone. Ob es den Seeweg über eine Westroute zu den berühmten Gewürzinseln gibt? Von BARBARA WEGMANN
»Das wird ein Abenteuer, wie es die Menschheit bis dahin noch nicht erlebt hat.« Wie wahr. Fünf »fremdartige hölzerne Ungetüme« sind auf dem Ozean unterwegs. »Gegen acht bis neun Meter hohe Wellen müssen sie anrennen.« Und sie werden den letzten Beweis erbringen, dass die Erde doch keine Scheibe und »im Süden nicht zu Ende« ist. Wohl die nachhaltigste und bemerkenswerteste Erkenntnis der waghalsigen Fahrt. Bisher glaubt man schließlich, dass die Welt hinter dem Kap Bojador im nordwestlichen Afrika schlichtweg aufhört und das »Meer der Finsternis« beginnt, das »Mar Tenebroso«. »Dort tobe ein brodelnder Ozean mit fürchterlichen Seeungeheuern und einer glühenden Sonne, die den Menschen die Haut verbrennt. Niemand könne von dort zurückkehren … gefährliche Strömungen zögen die Schiffe über die Kante der Erdscheibe hinunter.«
Es sind diese Einblicke in das damalige Denken, die den Start der Magellan-Entdeckungsfahrt noch spannender machen, als sie ohnehin schon ist. Was für einen Mut mussten Mannschaft und Verantwortliche damals haben, welche Ängste galt es zu überwinden, mit welchen Vorstellungen musste man aufräumen und wie unerschütterlich musste die Vision sein von neuen Welten und Routen. Und trotz aller Widernisse starteten sie.
Der Reisejournalist und Autor Volker Mehnert erzählt die Geschichte von Anfang an sehr klar und sehr plastisch, spannend und anschaulich. Aber er belässt es nicht bei Magellan und seiner ersten Weltumsegelung – obwohl Magellan das Ende selbst nicht mehr miterlebt. Mehnert baut sie alle ein, die Großen der Seefahrt, er erzählt von Homers Geschichte über Odysseus, den »berühmtesten Seefahrer des Altertums«. Ihn ‚verwickelt der Meeresgott Poseidon in mehrere Abenteuer‘. Oder er berichtet von Leif Erikson, der um 1000 n. Chr. im hohen Norden Regionen erkundet hat. Kolumbus bleibt natürlich nicht unerwähnt, der ja Amerika entdeckt hat, oder doch nicht? »Der Kontinent ist doch längst von anderen Menschen entdeckt. Sie wandern vom Ende der letzten Eiszeit an aus Sibirien über Alaska ein.« So könnte man es viel eher sagen und sehen, meint Mehnert, dass nämlich die amerikanischen Ureinwohner nach der Ankunft von Kolumbus die Europäer entdeckten.
Egal, welche Seemänner es waren, die Entdeckungen machten, Länder eroberten, Regionen unter ihre Herrschaft stellten, ihnen nicht selten gewaltsam den Stempel aufdrückten und später regen und grausigen Menschenhandel betrieben, und das alles auf neuen Seewegen, die Einheimischen der so entdeckten Länder, sie sind alles andere als begeistert, »wehren sich gegen Einmischung«. Aber gegen Kanonen, Überfälle und Plünderungen kommen sie nicht an.
In Einschüben erklärt Mehnert viel Seemännisches, schildert die Kraft und das Wesen der Winde, Details zu den Routen, hebt einzelne markante Landpunkte hervor, zeigt Schiffstypen. In all dem unterstützt ihn Tim Köhler mit wunderbar kräftigen Farben, die zu realistischen Illustrationen werden, fast dokumentarisch. Mal sind es Seekarten, mal die Entdecker, die Einheimische unterwerfen, mal Eindrücke der fremdartigen Landschaft und Natur, auf die die Seefahrer treffen.
Trotz kleiner Exkurse und der lesenswerten Anreicherungen rund um die eigentliche Geschichte kommt Mehnert immer wieder auf Magellan zurück, seine waghalsige Fahrt, von der er nie zurückkehren wird, die Umstände an Bord, die politischen Hintergründe, die Stimmung auf dem Schiff. Der Umfang der Erde, so schildert Magellan, »ist viel größer, als wir alle gedacht haben.« Drei Jahre nach Beginn der Weltumsegelung wird eines der fünf Schiffe, »von Würmern zerfressen« wieder zurückkehren, Magellan ist nicht darunter.
Einen Grabstein für den berühmten Seefahrer gibt es nicht. Dafür ist etwas nach ihm benannt, das rund 200 000 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt, zwei Galaxien ganz nahe der Milchstraße. »Am südlichen Sternenhimmel sind sie mit bloßem Auge als verschwommene Wolken zu erkennen. Magellan hat sie nicht als erster gesichtet, doch durch seine Reise werden sie in Europa bekannt und später nach ihm benannt«. Die Magellanschen Wolken.
Titelangaben
Volker Mehnert: Magellan Oder Sternstunden der Seefahrt
Illustriert von Tim Köhler
Hildesheim: Gerstenberg 2021
96 Seiten. 25 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren
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