Mit allen Sinnen genießen

Sachbuch | Adolfine Nitschke: Räuchermomente im Jahreskreis

Wer den Begriff des Räucherns mit schmackhaftem Fisch verbindet, der liegt zwar schon ganz richtig, aber damit ist der Begriff längst noch nicht erschöpft: gerade jetzt in den dunkler werdenden Monaten ist das Räuchern beliebt und hat eine lange Tradition und Geschichte. Schon beim Blättern im Buch hat man Räucherduft schon fast in der Nase, meint BARBARA WEGMANN.

Das Foto zeigt eine Räucherschale auf einem BaumstammGerade in den nahenden Raunächten um Weihnachten und den Jahreswechsel herum ist das Räuchern sehr beliebt. Den Raum erfüllen mit Duft, mit Aromen, mit einer so sonderbaren Stimmung, die innere Ruhe und winterliche Gelassenheit aufkommen lässt. »Das schafft Platz für positive Energien im neuen Jahr. Für das Ritual steht jede der zwölf Nächte für einen Monat des kommenden Jahres.« Adolfine Nitschke ist Wildkräuterführerin und »gibt ihre Kräuterleidenschaft bei Seminaren, Räuchervorträgen und Kräuterwanderungen weiter.«

Und nun hier in einem sehr ansprechenden und anregenden Buch, nicht weniger atmosphärisch als in Seminaren, genauso detailliert und gut erklärt, als wäre man mit der Autorin vor Ort. Kleine Kapitel, eine übersichtliche Einteilung in die vier Jahreszeiten, Exkurse in die Geschichte des Räucherns und alles angereichert mit Bauernregeln und Überlieferungen aus alten Zeiten. Nicht zu vergessen, der ja wichtigste Teil: Welche Pflanzen nehme ich zum Räuchern und wie funktioniert das eigentlich? Was benötige ich dazu, worauf muss ich achten?

Geräuchert wird traditionell gerne zu den Sonnen- und Mondfesten im Jahreskreis: »Entdecken sie, dass im Kreislauf des Lebens nichts verloren geht, sondern sich alles nur wandelt.« Räuchern, so sagt Adolfine Nitschke, könne sicher keine Probleme lösen, es könne aber das Leben bereichern, Vieles leichter machen und wirke positiv auf Körper, Geist und Seele. Und natürlich hat das alles mit ganz viel Duft zutun. 10.000 und mehr Düfte könne der Mensch unterscheiden, und so werden beim Räuchern mit getrockneten Beeren, Gräsern, Blättern, Hölzern und Früchten wunderbare Düfte frei. Geschieht das über Glut, dann »wird das innerste Wesen der Pflanze, ihre Information und Schwingung von seinem Körper gelöst und geht in Rauch über«. Die Duftmoleküle, so beschreibt es die Autorin sehr anschaulich, gehen dann in unser »limbisches System im Gehirn, der Nahtstelle zwischen Körper und Seele.« Können sie sich vorstellen, wie Wohlbefinden entsteht? Wie unsere Emotionen positiv beeinflusst werden? Räuchern ist eine sehr stimmungsvolle Angelegenheit, aber es steckt auch ganz viel Philosophie dahinter, Lebensweisheit und uralte Traditionen. Eine spannende Geschichte.

Spannend auch der ausführliche Teil über die einzelnen Räucherpflanzen zu den jeweiligen Jahreszeiten: Salbei im Winter zum Beispiel. Eines der »allerwichtigsten Räucherkräuter«, es desinfiziert Räume, wirkt antiseptisch und hat eine stak heilende Wirkung. Weihrauch und Myrrhe sind in den typischen Räuchermischungen für Dreikönige. Und ein wenig später werden Lavendel, Heckenrose und Rosmarin im Frühjahr folgen. Man erfährt nicht nur, welche Räucherpflanzen zu welcher Zeit gut sind, sondern eben auch, was sie bewirken, welche Bedeutung sie für unsere Gefühle und unser Wohlbefinden haben. Das Räuchern von Eisenkraut wirkt versöhnlich, Zitronenmelisse macht den Kopf frei, Kalmus wirkt gegen Erschöpfung und das Räuchern von Pfefferminze wirkte schon im alten Griechenland gegen Ohnmachtsanfälle und Gedächtnisschwäche.

Ist es ein wenig Glauben an die alten Weisheiten oder steckt tatsächlich etwas dahinter? Das muss wohl jeder für sich selbst ausprobieren, in sich hineinhorchen und wunderbare Düfte inhalieren, sich einfach auf etwas einlassen. Das Buch ist eine Einladung dazu. Und wenn die Bauernregel für diesen Monat besagt: Hängt das Laub bis November hinein, wird der Winter lange sein«, na, dann haben wir ja noch viel Zeit, uns den kalten Winter hindurch mit der Kunst des Räucherns zu beschäftigen.

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Adolfine Nitschke: Räuchermomente im Jahreskreis
Die Kräfte der Wildpflanzen für sich nutzen
München: Gräfe und Unzer Verlag 2021
128 Seiten, 16,99 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Geheimdienste in der Sinnkrise

Nächster Artikel

64 gesunde Regeln gegen ungesunde Ernährung

Weitere Artikel der Kategorie »Sachbuch«

Es soll so bleiben, wie es war!

Gesellschaft | Peter Hahne: Das Maß ist voll

Es sind Kontroversen, die das aktuelle Schaffen des ehemaligen ZDF-Journalisten Peter Hahne begleiten. Er stehe gedanklich der AfD nahe, lautet einer der Vorwürfe, der unter anderem vom Medienjournalisten René Martens vorgetragen wird. Das war BASTIAN BUCHTALECK nicht bekannt, als er Hahnes neuestes Buch ›Das Maß ist voll. In Krisenzeiten hilft keine Volksverdummung‹ las. Und so war er nach der Lektüre ganz unvoreingenommen in seinem Eindruck, das Buch eines rechts-liberalen Autors gelesen zu haben.

Von digitalen Würmern und dichotomischen Weltbildern

Sachbuch | Mark Bowden: Worm. Der erste digitale Weltkrieg Mark Bowden, der unter anderm für den Thriller ›Black Hawk Down‹, einer Episode aus dem somalischen Bürgerkrieg, bekannt ist, erzählt in ›Worm‹ die Geschichte des Computerwurms »Conficker« der erstmals im Jahr 2008 sein Unwesen trieb. Dieser Wurm, der sich hauptsächlich auf Sicherheitslücken des Windows-Betriebssystems konzentrierte, befiel weltweit bis zu 50 Millionen Rechner, ohne zunächst konkreten Schaden anzurichten. Bis heute ist fraglich, welche Absichten der oder die Programmierer des Wurms verfolgten. JÖRG FUCHS taucht ein in die Welt von Bits und Bytes – und wundert sich über das dichotomische Weltbild des Autors.

Wein & Krieg

Kulturbuch | D./P. Kladstrup: Wein & Krieg

Don & Petie Kladstrup sind keine Dänen, sondern sympathisch-liebenswerte US-Amerikaner, die als Journalisten schon lange in Paris und der Normandie leben und über Wein schreiben, obwohl ihnen ja der Calvados näherliegen müsste. Von WOLFRAM SCHÜTTE

Schluss mit den Vorurteilen

Kulturbuch | Petra Stuiber: Kopftuchfrauen Nur ein Stück Stoff auf dem weiblichen Kopf, das war es einmal. Seit über zehn Jahren wird eine zuweilen unangenehm vehemente öffentliche Debatte über das Kopftuch geführt. Die österreichische Journalistin Petra Stuiber zeigt in ihrem Buch, dass es bei der Kopftuchfrage vor allem um Vorurteile geht, die nicht nur muslimische Frauen treffen. »Schluss damit!«, fordert sie. Und belegt dieses überzeugend. Von MAGALI HEISSLER

Destabilisierung

Gesellschaft | Ulrich Teusch: Der Krieg vor dem Krieg Uns wird nach Kräften Honig ums Maul geschmiert, so intensiv, dass wir argwöhnen müssen, sie hätten uns am liebsten mit Honig im Kopf, das vorherrschende Empfinden ist die eigene Ohnmacht. Wirklichkeit ist anders, als sie uns in flimmernd bunten Bildern entgegentritt. Für das zahlende Publikum wird eine flächendeckende Begriffsverwirrung in Szene gesetzt. Von WOLF SENFF