Nur verschwindend geringe 16 Prozent der Bevölkerung hatten im Jahr 2013 Vertrauen in die politischen Parteien. Weniger als jeder fünfte Bürger also. Vier nicht, einer vielleicht. Seitdem dürfte es nicht besser geworden sein. Die etablierten Parteien und ihre Akteure (Politiker) haben ein Vertrauens- und Akzeptanzproblem. Die Gründe dafür präsentiert Gregor Hackmack in seinem Buch ›Demokratie einfach machen‹ sehr pointiert auf etwas mehr als 130 Seiten. Von BASTIAN BUCHTALECK
Es geht um Transparenz, die Möglichkeit der Beteiligung und überhaupt dominiert der Eindruck, Politik sei heutzutage in erster Linie eine Folge der Lobbyarbeit von großen Konzernen und des persönlichen Machtstrebens der Politiker. Das Bestreben das gesellschaftliche Zusammenleben zu organisieren und zu strukturieren geht darunter verloren. Wem man dieses grundlegend demokratische Interesse nicht zutraut, dem vertraut man nicht.
Fehlende Transparenz ist ein Feind der Demokratie
»Politik findet oft – die ganz wichtigen Entscheidungen fast nur – hinter verschlossenen Türen statt. Transparenz bei der Entstehung und Verabschiedung von Gesetzen wäre der erste Schritt zu mehr Vertrauen.« (Seite 46)
Diese Feststellung ist zentral. Warum erfahren wir nicht mehr über TTIP, BER, Elbphilharmonie, Autobahnmaut, Warburg Bank, Augustus Intelligence und weitere? Warum gibt es fehlende Aufzeichnungen und millionenschwere Erinnerungslücken?
Abhilfe könnte nach Hackmack ein Transparenzregister schaffen. Zwar argumentiert die Politik mit den Schlagworten Wirtschafts- und Geschäftsgeheimnis. Dadurch wird jedoch nicht klar, warum das Geschäftsgeheimnis eines Unternehmens wertvoller sein soll, als das berechtigte Informationsinteresse von 80 Millionen Bürgern?
Intransparenz ist ein Feind der Demokratie. Ausgerechnet von jenen, die als erste für die Demokratie eintreten sollten, wird Geheimnistuerei vorgelebt. Zudem entsteht so der Eindruck, dass die Politiker nicht als Vertreter der Bürger handeln, sondern im Eigensinn oder im Sinn der Parteipolitik.
Lobbyismus muss man sich leisten können
Fest verknüpft mit der fehlenden Transparenz ist die Einflussnahme Dritter auf die Politik. Im besten Fall handelt es sich um fachlich kompetente, unabhängige Berater. In der Regel sind es Interessenvertreter aus der Wirtschaft, die unter dem Begriff Lobbyisten bekannt sind.
Das funktioniert so: Lobbyisten »kaufen« sich einen unverhältnismäßig direkten Zugang zur Politik und erlangen somit Einfluss. Dieses Kaufen meint nicht, dass zwingend Geld fließt (manchmal jedoch schon). Die Währungen lauten auch: Aufmerksamkeit, gute Presse, Steuergelder und ähnliches. Lobbyisten bieten demnach über Umwege Wählerstimmen an zum Machterhalt. Der einzelne Bürger kann sich diesen Einfluss nicht leisten und bleibt so unerhört.
Wenn man die fehlende Transparenz und den großen Einfluss des Lobbyismus betrachtet, dann scheint einem Teil der Politiker nichts mehr heilig zu sein. Sie tanzen um das goldene Kalb des eigenen Egos und Machterhalts.
Raumschiff Berlin
In alledem zeigt sich die Entfremdung zwischen den Politikern, „die da oben“ und den Bürgern, die sich einflusslos und somit als machtlos empfinden. Hackmack verwendet dafür die Bezeichnung vom »Raumschiff Berlin«. Fernab der eigenen Familie, immer umgeben von anderen Berufspolitikern, die alle auf teure Empfänge eingeladen werden und die alle abhängig sind von den Parteigranden – da bildet sich die Blase des Politikbusiness – mit Betonung auf Business.
Dieses Business zeigt sich aktuell in den weitgehend intransparenten Nebeneinkünften als auch in den Anschlussverwendungen einiger Politiker nach dem Ausscheiden aus den politischen Ämtern – demokratisches Selbstverständnis sieht anders aus.
Hieraus folgt Verdrossenheit, da die Bürger sich nicht mehr durch die Politik vertreten fühlen. Eine zentrale Forderung in ›Demokratie einfach machen‹ sind Volksentscheide auf Bundesebene als Element direkter Demokratie.
Die berühmt berüchtigte Ochsentour
Eine Grundlage der aktuellen Funktionsweise der Parteiendemokratie ist die sogenannte Ochsentour. Bei dieser »lernt« der Nachwuchspolitiker von den Parteispitzen der vorgegebenen Linie zu folgen – auch gegen den eigenen Sachverstand. Man hält sich an die Vorgaben der Funktionäre, um selber vorwärtszukommen. Selbstredend fördert eine solche Ochsentour nicht die wachen, selbstständigen Denker.
Daraus erwächst der Vorwurf, wem das Kuschen und Nachbeten zum Aufstieg verholfen hat, der wird dieses Verhalten, wenn sie oben angekommen sind, durch Kläffen und Beißen nach unten fortsetzen. Gelernt ist gelernt. Parteilinie ist absolut.
Parteitreue Funktionäre, die auf dem Weg dieser Ochsentour entstehen, sind systembedingt eher Machtmenschen als die Demokratie verteidigende Denker oder Macher. Eben darum sind sie auch eher an der Macht interessiert als am Wohlergehen der Gesellschaft. Am Ende der Ochsentour sind leise, bedachte Politiker selten und Lautsprecher wie Söder, Scheuer, Lauterbach, Klöckner leider häufig (vielleicht ist dies auch nur eine Verzerrung durch die Medien, die auf die Schlagzeile angewiesen sind).
Demokratie verhindern – Demokratie machen
Während das Buch mit Zustandsbeschreibung und Analyse beginnt, geht es später darum, wieso es überhaupt zu dem Buch kam.
Da berichtet Hackmack von seinem persönlichen Weg, der ihn in das politische Feld geführt hat. Im Jahr 2004 hatte der damalige Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) Volksentscheide in Hamburg für nicht verbindlich erklärt. Hackmack hatte sich dafür eingesetzt. Laut Hackmack hat van Beust alles daran gesetzt, direkte Demokratie zu verhindern, um eine wenig durchsichtige Parteiendemokratie zu stützen.
Dieser Teil des Buchs berichtet und liest sich zugleich wie ein Thrillerplot. Leider muss man sich dabei fragen, warum die gewählten Politiker, die bedrohliche, unheimliche Macht sind, die den Ermittler bedrängt. Warum die Politik auf Verdunkelung und Verschleierung setzt.
Fazit
Insgesamt, so legt es ›Demokratie einfach machen‹ nahe, wird die Politikverdrossenheit weiter steigen, wenn die Politik die berechtigten Forderungen nach Transparenz, Beteiligung und Einschränkung von Lobbyismus nicht umsetzt. Erstaunlich ist hierbei und das ist ebenso erschreckend, dass die angemahnten Probleme nicht angegangen werden. Erstaunlicher wird dies noch, wenn man überlegt, wie leicht sie auszuräumen wären.
Ist es nicht entsetzlich, dass diejenigen, die die Demokratie repräsentieren, allzu häufig auch diejenigen sind, die Nachhilfe im demokratischen Selbstverständnis brauchen? Das Buch ›Demokratie einfach machen‹ ist tatsächlich ein wichtiges Update für die Politik, denn viel zu viele Volksvertreter brauchen diese Demokratienachhilfe.
Letztlich gilt: Veränderungen geschahen, weil Hackmack gemacht hat. »Die Gesellschaft sind wir, daher sind wir auch für die Regeln des Zusammenlebens verantwortlich. Es ändert sich nichts, außer wir sorgen dafür, dass sich etwas ändert.« (Seite 108)
Titelangaben
Gregor Hackmack: Demokratie einfach machen
Ein Update für unsere Politik
Bonn: Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung
130 Seiten, 4,50 Euro
(Vergriffen)
| Als eBook erhältlich (9,99 Euro)
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