Mobbing ist eine ganz üble Sache, die schwer in den Griff zu bekommen ist. Genaues Hinschauen und Mut sind notwendig, um dagegen anzugehen. In ihrem Kinderbuch bietet Line Baugstø beides. Von ANDREA WANNER.
Leona kommt neu in die 7. Klasse und die Ich-Erzählerin Malin ist enttäuscht: Wer so einen tollen Namen hat, sollte selbstbewusst und kämpferisch auftreten, wie eine Löwin eben. Sie selbst ist eher zurückhaltend und still, traut sich oft nicht das zu sagen oder zu tun, was sie wirklich will und denkt.
Denn da gibt es Sarah und Yasmin und die anderen Mädchen, denen mal jemand so richtig die Meinung sagen sollte. Die schüchterne Leona scheint dafür nicht unbedingt zu taugen. Trotzdem will Malin unbedingt, dass sie Freundinnen werden.
Die Aufregung um die Neue, die aus einem kleinen Dorf in Nordnorwegen kommt, wo sie in einer Miniklasse mit nur zwei weiteren Jungs war, scheint sich relativ schnell zu legen. Als Leona sich allerdings für den Sportunterricht hinter einer merkwürdigen Stoffkonstruktion versteckt, um sich blitzschnell umzuziehen, ist die Neugierde der anderen geweckt. Was hat sie zu verbergen? Und klar, die Meute lässt sich locker, bis sie hinter das Geheimnis gekommen ist.
Die norwegische Autorin Line Baugstø erzählte die Geschichte eines Trans-Mädchens und die Aufregung, die das in einer Schule verursacht. Leona hieß früher Elias und wuchs als Junge auf. Innerlich hat sie sich immer als Mädchen gefühlt. In ihrer alten Schule wurde sie gehänselt und gemobbt, als sie anfing, sich wie ein Mädchen zu kleiden und sich die Haare wachsen zu lassen. Jetzt wagt sie einen Neuanfang: als Mädchen, das noch immer den Körper eines Jungen hat.
Geschickt wird die Geschichte aus der Perspektive von Malin erzählt, die als neue Mitschülerin keine Sekunde daran zweifelt, dass Leona ein Mädchen ist und sich verraten fühlt, als sie die Wahrheit erfährt. Was ihr fehlt, ist der Mut auf Leona zuzugehen, sie nach dem zu fragen, was sie nicht versteht und zu ihrer neuen Freundin zu halten. Stattdessen stimmt sie, wenn auch halbherzig, dem lauten Protest zu, dass alle von der Neuen hinters Licht geführt worden seien.
Vieles lief schief bei Leonas Neustart. Lehrer und Lehrerinnen, die Schulleitung, Eltern und alle in der Klasse haben Fehler gemacht. Aber vielleicht lässt sich die Reset-Taste drücken und mit mehr Offenheit und Informationen mit der Situation umgehen. Malins Mutter reagiert mutig und richtig. Und Malin fühlt, dass ihre eigene Feigheit niemandem hilft, im Gegenteil. Sie schreibt einen langen Brief an Leona, in dem sie die Geschichte aus ihrer Sicht und ohne ihr Verhalten zu beschönigen schildert. Und sie erkennt, dass Leona doch eine Menge von einer Löwin hat.
Ein einfühlsames Buch, das auch zeigt, wie wenig Übung es im Umgang mit den Themen Transsexualität, Transgender, Transidentität gibt, wie Unsicherheit herrscht und Angst. Eine tolle Möglichkeit, um ins Gespräch zu kommen.
Titelangaben
Line Baugstø: Wenn wir doch nur Löwen wären
(Vi skulle vært løver, 2018)
Aus dem Norwegischen von Andreas Donat
Wien: Luftschacht 2022
144 Seiten, 16 Euro
Kinderbuch ab 10 Jahren
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