Renaissance für Kohl, Rübe & Co

Sachbuch | Christiane Leesker: Neue Ideen für alte Gemüse

Ganz schnell wird mir eines klar beim Durchblättern des sehr leckeren Buches: All die Gemüse, um die es hier geht, kenne ich schon aus und seit meiner Jugend, aus der Küche meiner Großmutter, aber im Laufe der Jahrzehnte haben sich zwei Dinge grundlegend geändert, meint BARBARA WEGMANN

Geändert hat sich auf jeden Fall die Art der Zubereitung, da ist Vieles neu, raffinierter, bestimmt auch leckerer und manchmal vielleicht auch attraktiver als früher, die Beilagen haben sich verändert, Gemüse haben neue Begleiter bekommen sozusagen, das Gemüse wird in vielen Gerichten zum Star auf dem Teller und nicht zur schnöden Beilage degradiert. Und geändert hat sich zudem, dass jene »alten« Gemüse nun wieder topaktuell werden, sie erleben eine wunderbare Renaissance, heraus aus schattigen Küchenecken.

Und diese Wiederbelebung ist letztlich die Folge unserer veränderten Ernährungsgewohnheiten. Frisch soll alles sein, möglichst regional, also stehen Markt und eigener Garten wieder ganz hoch im Kurs. Und warum? »Inzwischen ist uns … bewusst geworden, dass lange Transportwege, ununterbrochene Kühlketten und das Beheizen und Bewässern von Gewächshäusern wichtige Ressourcen kosten und den Klimawandel vorantreiben.« Das Buch, so die Autorinnen, solle helfen, sich auf das zu besinnen, was immer schon da war. »Das Gemüse, das in unserer Region wächst und in der jeweiligen Jahreszeit geerntet werden kann.«

Gerade Stielmus, nicht nur im Münsterland ausgesprochen beliebt und mit langer Küchentradition, liegt im Kapitel »Blattgemüse« in der Rangfolge ganz vorne. Mit dabei außerdem: Chicorée, Endivien, Postelein, Spinat und Mangold. Bei einem Stielmus-Eintopf mit Mettendchen, diesem »fast vergessenen Klassiker«, würde ich sicher nicht nein sagen- aber eher bei einstelligen Außentemperaturen.

Bei zurzeit herrschender Wärme dann eher den Chicorée-Salat mit Orange und Walnuss, ein wenig Petersilie, Honig und Balsamico geben dem Salat das, was ihn so interessant macht: den fruchtig-süßen-herzhaften Geschmack.

Das zweite große Kapitel ist dem Kohlgemüse gewidmet, dem Rosenkohl, dem Rotkohl, dem Wirsing, Grünkohl, Schwarzkohl und Blumenkohl. Letztlich widmet sich das dritte Kapitel dem Wurzelgemüse: Mairübchen, Steckrübe, Schwarzrettich, Pastinaken, Rote Beete, Schwarzwurzeln und Sellerie. Zu jedem erwähnten Gemüse gibt es ein kurzes Porträt.
Bekannt kommt jedem das alles ganz sicher vor, vieles isst man, manches weckt Erinnerungen, anderes ist völlig zu Unrecht in Vergessenheit geraten. Schwarzwurzel zum Beispiel. Wer sie aber einmal selbst zubereitet hat, dieses »völlig unterschätzte Wintergemüse«, oder auch »der Spargel des kleinen Mannes« genannt, der wird nie wieder eine Konservendose öffnen.

Die Zusammenarbeit der beiden Autorinnen ist nicht die erste: Beide arbeiten in Münster und haben bereits etwa 20 Koch- und Lifestyle-Bücher veröffentlicht.
Aber zurück zu den überzeugenden Leckereien: Ganzseitig wunderbare Fotografien ergänzen die Rezepte, ein Saisonkalender gibt Aufschluss darüber, wann was zu haben ist, von Schwarzwurzeln bis Stielmus, von Rosenkohl bis Rote Beete, von Mairübchen bis Mangold.

Etwa 40 Rezepte versammeln sich in diesem Kochbuch, das zu regionalem und saisonalem Kochen aufruft. Vielleicht noch ein letzter Tipp für heißere Tage? »Nicht nur erfrischend und knackig, sondern auch ein echter Blickfang«? Spitzkohl-Röllchen mit Lachs. Neben den Namen gebenden Zutaten benötigen sie noch Dill, Frischkäse, Zitronensaft. Zum Aufspießen Zahnstocher. Einfach »perfekt«, wie das Buch selbst!

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Christiane Leesker: Neue Ideen für alte Gemüse
Rezepte für Blatt-, Kohl- und Wurzelgemüse
Vanessa Jansen- Fotografie
Landwirtschaftsverlag Münster
128 Seiten, 24 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Wer braucht schon eine Krone?

Nächster Artikel

Wettkampf

Weitere Artikel der Kategorie »Sachbuch«

Nur im Kopf gibt es keine Grenzen

Sachbuch | Delphine Papin/Bruno Tertrais: Atlas der Unordnung

Zurzeit machen aktuelle Geschehnisse in gar nicht so weiter Entfernung schmerzhaft klar: Grenzen sind alles andere als festgeschriebene Linien. Territorien, Länder werden verteidigt, abgesichert, überfallen, besetzt, Grenzen werden wachsam beobachtet, zur Not verteidigt, bei Bedarf verschoben, manchmal aber fallen Grenzen auch. BARBARA WEGMANN hat in diesem Buch mit seiner beeindruckenden Informationsfülle geblättert.

»Hallo, Dr. (in spe) Ronja Christiane ›Räubertochter‹ Müller!«

Sachbuch | W. Oelsner / G. Lehmkuhl: Schulangst erfolgreich begegnen

Um den verbreiteten wie komplexen Problemen Schulangst, Schulphobie und Schulschwänzen beizukommen, bedarf es eines sehr differenzierten und distanzierten Blicks der Betroffenen und Angehörigen auf die eigene Situation. Von ANDREA WANNER

»G«-Dienst zwischen Sehnsucht und Scham

Gesellschaft | Bruno Latour: Jubilieren Jubilieren. Über religiöse Rede heißt Bruno Latours Buch über die Sprachnot angesichts des Heiligen und die Gott- bzw. »G«-Suche des modernen Menschen. JOSEF BORDAT folgt ihm beim Versuch der religiösen Orientierung inmitten von Anfechtung und Zweifel.

Erfolge, Teilerfolge

Gesellschaft | Lisa Vollmer: Strategien gegen Gentrifizierung Gentrifizierung ist der Bevölkerung mittlerweile teils aus eigenem Erleben, teils aus der medialen Information bekannt geworden, es geht um die Verdrängung von Mitbürgern aus städtischen Regionen, in denen sie die erhöhten Mietforderungen nicht länger zahlen können. Das löst weitreichende soziale Umschichtungen und Konflikte aus. Von WOLF SENFF

Pracht und Prunk vergangener Zeiten

Kulturbuch | Norbert Wolf: Art Deco Der Prestel Verlag hat mit Norbert Wolf den Richtigen getroffen, um Glanz und Elend des ›Art Deco‹ in seiner Gesamtheit darzustellen. Eingebettet in die Kreativität und die Unruhe der zwanziger Jahre hat das Design des Art Deco unseren Geschmack auf Jahrzehnte geprägt, ohne jemals aus seiner Zwitterstellung zwischen Kunst und Kunsthandwerk ausbrechen zu können. VIOLA STOCKER ließ sich gerne erklären, warum das so ist.