Richtige Freunde halten zusammen. Immer. Gehen gemeinsam durch dick und dünn, meistern schwierige Situationen und Krisen. Davon gehen die Teenager Charly, Benny und Hamid fest aus. Und dann kommt alles ganz anders. Von ANDREA WANNER
Andreas Steinhöfel hat sich gemeinsam mit Klaus Döring und Adrian Bickenbach die sechsteilige Serie für Kinder und Jugendliche ausgedacht, die ab April 2022 im KiKA zu sehen war. Und gleichzeitig erschien dieses Frühjahr der Comic mit Steinhöfel als Autor und Melanie Garanin als Illustratorin. Darin wird die Geschichte aus der Sicht von Charlie erzählt. Sie beginnt mit der Beinahekatastrophe und berichtet dann, wie es mit der Dreierclique so weit kommen konnte.
Die Kapitelüberschriften entsprechen im Wesentlichen den Episodentiteln der Serie: Schöne Mischpoke; Zoff; der Schlamassel; alle Meschugge?; Bammel; Tacheles. Die Begriffe stammen alle aus dem Jiddischen, bedeuten der Reihe nach Familie, Streit, Unglück, verrückt, Angst und zur Sache und deuten – wie der Titel – schon an, worum es – unter anderem geht: Antisemitismus. Benny ist Jude, allerdings spricht niemand darüber. Offensichtlich wir es erst, als er nach dem Tod seines geliebten Großvaters einen Judenstern um den Hals trägt. Den hat sein Opa, ein Höhlenforscher, ihm noch vor seinem Tod in die Hand gedrückt.
Hamid, der als Kind mit seiner Familie aus Syrien nach Deutschland geflohen ist, reagiert irritiert: »Die Juden sind schuld, dass es vielen Arabern schlecht geht«, wirft er seinem besten Freund vor. Der weist das sofort zurück: »Was für ein Schwachsinn! Du hast gar keine Ahnung, was ein Jude überhaupt ist!« Und Charlie, Vegetarierin und engagierte Tierschützerin, kann mit ihrem Schlichtungsversuch »Und was hat das mit uns zu tun?« nichts mehr retten. Klischees und Vorurteile brechen auf, Rassismus und Mobbing breiten sich an der Schule, wo gerade eh Probleme herrschen, weil sich Handydiebstähle häufen, aus.
Die Geschichte wirft einen klugen und differenzierten Blick auf Probleme, die es in unserer Gesellschaft gibt und die auch vor Kindern und Jugendlichen nicht haltmachen. Was als Film gut funktioniert, tut es auch als Graphic Novel. Melanie Garanin entwickelt genau das richtige Gespür für Tempo und Rhythmus, wagt Asynchronitäten zwischen Text und Bild und etabliert viele witzige Details am Rande wie sprechende Kartoffeln oder besorgt dreinschauende Judensterne. Es gibt jede Menge Nebenhandlungen, die zum Nachdenken anregen. Statt Vorverurteilungen und einseitigem Fehlverhalten wird hier die Dynamik eines Konflikts aufgezeigt, der eskaliert, wenn ihn keiner stoppt. Die Erwachsenen kommen dabei nicht besonders gut weg, zeigen sich überfordert, zu angepasst und schauen auch gern mal weg. Wie gut, dass Charlie nicht bereit ist, diese Freundschaft so schnell aufzugeben. Zu viele Dinge verbinden die Drei: eine Modelleisenbahn, der Spaß an Abenteuern, die Liebe zu Höhlen … Zu oft haben sie sich gegenseitig unterstützt und geholfen. Auch wenn Charlie zunehmend merkt, dass auch sie Fehler gemacht haben.
Die ›Jüdische Allgemeine‹ lobt: »Die Serie macht deutlich, was Judenhass ist. Wenn jemand gegen jüdische Menschen ist und diese beleidigt oder beschimpft, bedroht oder sogar angreift, weil sie jüdisch sind, ist das Antisemitismus – eine Form des Rassismus. Darüber hinaus zeigt sie, dass es nicht nur in der Vergangenheit, sondern gerade in unserer heutigen Zeit Antisemitismus gibt.« Aber Serie und Buch gehen darüber hinaus, zeigen wie man Hass und Fremdenfeindlichkeit überwinden kann und wie in einer echten Freundschaft kein Platz dafür ist.
Titelangaben
Andreas Steinhöfel und Melanie Garanin: Völlig meschugge?!
Nach einem Drehbuch von Klaus Döring und Adrian Bickenbach
Manga-Sequenzen nach Zeichnungen von David Füleki
Hamburg: Carlsen 2022
288 Seiten, 20 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren
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