»Ein Kalender ist ein Jahr, das man auf Vorrat kauft,« wusste schon Inge Meysel. Und auch ein literarisches Depot kann uns jene Rationen an Halt, Hoffnung und Zuversicht schenken, aus denen sich täglich neue Kraft schöpfen lässt. Inspiration für kommende Lektüren gibt es obendrein. INGEBORG JAISER hat mit Vergnügen durch Literaturkalender für das neue Jahr geblättert.
Ohne Frauen geht es nicht
Ja, genauso lebensfroh und übermütig wie diese beiden Covergirls mag man die Zukunft beschreiten. Denn Ohne Frauen geht es nicht lautet das Motto des vielfarbigen Literaturkalenders aus dem Verlag ebersbach & simon. Frauen im Mittelpunkt des kulturellen Geschehens, als Netzwerkerinnen, Mäzeninnen und Salonièren, zwischen New York und St. Petersburg, von der Goethezeit bis ins 20. Jahrhundert. Zu vielfach unbekannten Fotografien und Darstellungen gesellen sich biografische Abrisse und literarische Texte – Zeitzeugnisse, persönliche Notizen, Briefauszüge – die unbändige Lust auf (Neu)Entdeckungen machen.
Bekannte Akteurinnen wie die Buchhändlerin Sylvia Beach oder die Kunst sammelnde Schriftstellerin Gertrude Stein werden hier genauso porträtiert wie vergessene Stars. Ein anregender, wöchentlich wechselnder Wegbegleiter für das kommende Jahr, der sich auch bestens als Geschenk eignet. Denn wie schrieb schon Rahel von Varnhagen: »Freunde sind Menschen, die voneinander überzeugt sind«.
Wir waren einmal ein ganzer Mensch
Ebenfalls um Freunde und Familie, Kollegen und Kameraden kreist der Literaturkalender 2023 aus dem Hause edition momente. In welch vielfältigen Facetten lassen sich doch die Momente des Miteinander heraufbeschwören: als wehmütige Erinnerung, intime Tagebuchnotizen oder sehnsuchtsvolle Briefzeilen. Vorzugsweise unter Liebespaaren – oder solchen, die es einmal waren. Wie Colette und Maurice Goudeket (»In über zehn Jahren haben wir keinen freien Vormittag gefunden, um unsere Beziehung zu legalisieren«), Zelda und Scott F. Fitzgerald (»Wir waren einmal ein ganzer Mensch«) oder Ernst Jandl und Friederike Mayröcker (»unser leben ist, seit vierzig jahren, ein gemeinsames, ohne eine gemeinsame wohnung und ohne kochtopf.«).
Der preisgekrönte Kalender-Longseller mit jährlich wechselndem Motto präsentiert – dank der bewundernswerten Recherchearbeit der Herausgeberin Elisabeth Raabe und der graphischen Handschrift von Max Bartholl – unbekannte, wiederentdeckte oder klassische Literaten mit autobiografischen Texten. Neugierig geworden? Ein kompetent aufbereiteter, großzügiger Anhang verweist auf Lebensläufe und literarisches Schaffen.
Schnurrende Seelentröster
Charles Baudelaire und Guy de Maupassant, Mark Twain und Ernest Hemingway, sie alle waren Katzenfreunde und haben über ihre Lieblinge geschrieben, schwärmerisch, poetisch und oft mit Leidenschaft. Baudelaire staunt über ihre »Augen aus Achat und Erz«, Oscar Wilde streichelt ihren »Samtleib« und Joachim Ringelnatz fragt sich, »was wohl Katzen hören, wenn Caruso singt?«.
Der literarische Tagesabreißkalender Katzen aus dem Anaconda Verlag versammelt Fundstücke und Zitate aus der Weltliteratur, kurze Aphorismen und humoristische Gedichte über schnurrende Seelentröster und unberechenbare Begleiter, zart akzentuiert mit feinen Schwarz-Weiß-Illustrationen. Ein tägliches Vergnügen im kleinen Format, doch mit großer Wirkung! Schon wegen Sprichwörtern wie diesen: »Wer einen Hund besitzt, der ihn anhimmelt, sollte auch einen Kater haben, der ihn ignoriert.«
Etwas ist immer
Optisch minimalistisch und elegant puristisch kommt der Gedichtekalender des Kröner Verlags daher. Allein seine jährlich wechselnde Farbgebung wird unter Sammlern mit Vorfreude erwartet. Hinter dem Cover eines feinen Rosenholztones liegen für das kommende Jahr über zwei Dutzend Blätter mit ausgewählter Poesie verborgen. In faksimilierter Kalligrafie mit ausdrucksvollen Ober- und Unterlängen aus der Hand von Hubert Klöpfer. Zwei Monate lang kann man sich an jedem Kalenderblatt erfreuen.
Das Konzept der literarischen Patenschaft hat sich bewährt. Buch- und Verlagsmenschen, Kritiker und Kenner haben jeweils ein Gedicht ausgewählt, mal zeitgenössisch und modern, mal der Klassik verbunden. Man darf gespannt sein, welche lyrischen Zeilen von Marie Luise Kaschnitz der Schauspieler Ulrich Tukur ausgewählt hat. Welches Eichendorff-Gedicht der Kritikerin Thea Dorn am Herzen liegt. Und wie sich der Verleger Hubert Klöpfer zu Thomas Brasch hingezogen fühlt. Aufmunterung verspricht bereits das Tucholsky zitierende Cover-Gedicht: »Etwas ist immer. Tröste dich. Jedes Glück hat einen Stich.« Welch aufbauender Leitspruch für das kommende Jahr!
Kalenderangaben
Der literarische Frauenkalender 2023: Ohne Frauen geht es nicht!
Hrsg. von Unda Hörner
Berlin: ebersbach&simon 2022
24 Euro
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Der Literatur Kalender 2023: Momente des Miteinander
Hrsg. von Elisabeth Raabe
Zürich, Hamburg: edition momente 2022
24 Euro
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Katzen. Der literarische Tageskalender 2023
Hrsg. von Mareike von Landsberg
München: anaconda 2022
9,95 Euro
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Gedichtekalender 2023
Hrsg. von Hubert Klöpfer
Stuttgart: Kröner 2022
28 Euro
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