»Was genau ist eigentlich Kunst?« Mit dieser Frage startet das ebenso ungewöhnliche wie faszinierende Sachbuch eine Reise in die Welt der Kunst. Der verblüffende Ansatz ist die Forschung und man darf sich auf Überraschungen gefasst machen, freut sich ANDREA WANNER.
Sigrid Eyb-Green kennen wir vor allem durch ihre Kinder- und Bilderbücher wie »Alles dreht sich, alles fliegt« (https://titel-kulturmagazin.net/2018/12/31/kinderbuch-sigrid-eyb-green-alles-dreht-sich-alles-fliegt/) und »Die« Sonnenschaukel (https://titel-kulturmagazin.net/2016/12/05/sigrid-eyb-green-die-sonnenschaukel/). Die österreichische Autorin hat aber eigentlich Konservierung-Restaurierung an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert, hat als freischaffende Papierrestauratorin in New York und in Wien gearbeitet und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Kunstakademie.
Für das Kunstbuch hat sie ein Team aus neun Frauen zusammengestellt, ein Forschungsteam, das sich mit den Materialien und Techniken beschäftigt, aus denen Kunstwerke gemacht werden. Dahinter verbirgt sich das Graduiertenkolleg »Rahmenwechsel« der Universität Konstanz und der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, das Wissenschaft und Berufspraxis verbindet. Und es gelingt ein genialer Spagat zwischen Wissenschaft und Unterhaltung, einfachen Fragen und sachkundigen Antworten und jeder Menge faszinierender Kunst.
Fragen sind der Anfang jeder Wissenschaft. So beschäftigen sich die ersten Seiten damit, herauszufinden, woraus die Farben der kleinen Bilder gemacht sind, die der Maler, Miniaturist und Kupferstecher Friedrich Brentel gemalt hat in einer Zeit, in der man Farbpulver noch in Apotheken kaufte. Geschickt wird der Blick auf Details in abgebildeten Porträts von Brentel gelenkt. Damit man sich wirklich wie im Museum fühlt, sind dazu viele Doppelseiten zum Ausklappen und wachsen dadurch zu immenser Größe an. Die Fragen gibt’s handschriftlich in kleinen Sprachblasen, gerade so, als ob sich jemand Notizen beim Anschauen gemacht hätte. Die fundierten Antworten gibt der Text. Und kaum ist man gedanklich im 17. Jahrhundert angekommen, wird man schon in die Gegenwart katapultiert.
»Kunst am Bau« ist das nächste Thema, zeigt Beispiele aus Ulm und Stuttgart, Gewöhnungsbedürftiges, Witziges, Provozierendes und erklärt, dass Kunst am Bau auch immer »Kind ihrer Zeit« ist und beispielsweise im Nationalsozialismus zu Propagandazwecken eingesetzt wurde.
Und dann der nächste Sprung: »Wie kommt die Natur ins Bild«, hier am Beispiel eines naturgetreuen Schmetterlings von Otto Marseus von Schrieck in dem Bild »Waldboden mit Ringelnatter und Eidechse« von 1669, der tatsächlich einen echten Schmetterlingsflügel dafür verwendet hat. Woher man das weiß? Auch das verrät der Text.
Es gibt Kapitel zur Druckgrafik, zur Wunderkraft von Kunst, zu dem, was man nicht sieht. Wir folgen der spannenden Reise des Flügelaltars von Memmingen nach Calanca, erfahren etwas über die Schönheitsgeheimnisse von Queen Elisabeth I oder bekommen eine kleine ikonografische Einführung.
Dieses Buch ist eine Schatztruhe, die zeigt, was man alles sehen kann, was man fragen muss und was man mehr sieht, wenn man die Antworten kennt. Und das Buch ist hoffentlich erst der Anfang einer lebenslangen Begeisterung für die Kunst!
Titelangaben
Sigrid Eyb-Green: Kunst! Forschen
Wien: Jungbrunnen 2022
82 Seiten, 25 Euro
Kindersachbuch ab 10 Jahre
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