Großeltern sind für ihre Enkel etwas ganz Besonderes, angeblich ja wie Eltern, nur mit Zuckerguss, wie man sagt. Und oft erinnert man sich im späteren Leben gern und mit vielen warmen Gedanken an Zeit, die sie mit einem verbracht haben. BARBARA WEGMANN stellt ein Bilderbuch vor, das genau davon in wunderbarer Weise erzählt.
»Meine Baba wohnt in einem Hühnerhaus an einer großen Straße, hinter einer Schwefelmühle, groß und spitz wie eine Pyramide.« Der kleine Junge erzählt, wie der Papa ihn jeden Morgen zu seiner Baba brachte, die in einem so besonderen Haus wohnt. »Ihr Haus ist voll mit den Essensvorräten aus ihrem Garten.« Knoblauch, Essiggurken, rote Rüben, Tomaten, Karotten, Äpfel. Der kleine Junge frühstückt bei seiner Baba, bevor er dann in die Schule geht, es regnet. »Meine Baba summt und singt Lieder, die ich nicht verstehe.« Sie summe wie Stechmücken in einer Sommernacht, wenn sie koche. Langsam gehe sie, erzählt der Junge und sie suche Regenwürmer in Pfützen und Rinnsteinen. »Sie klaubt sie auf und steckt sie in ein mit Erde gefülltes Marmeladenglas, das sie immer in der Manteltasche hat«.
Die Eltern haben einmal erzählt, dass die Baba früher nur sehr wenig zu essen hatte, Not gelitten hat. Irgendwie haben die Regenwürmer damit zu tun. Im Garten der Baba, hinter dem Hühnerhaus, da wo es so viel zu riechen, zu sehen und zu essen gibt, dort verstreut sie die Regenwürmer auf dem Boden, so erinnert er sich, und bedeckt sie mit Erde. Ein tägliches Ritual. Und geheimnisvoll benetzt seine Baba ihre Finger mit Regenwasser und »fährt mit den Fingerspitzen die Linien in meiner Hand nach«.
Eine warme, gefühlvolle Geschichte, Erinnerungen, die den kleinen Jungen prägen, begleiten, die er nie vergessen wird. Und nicht nur das: Es ist nämlich die ganz persönliche Geschichte von Jordan Scott. Der kanadische Schriftsteller, der schon viele Preise erhielt, er erzählt einfach, aber so eindringlich, so ansprechend, das berührt auch Erwachsene. Seine Baba wurde in Polen geboren und im Zweiten Weltkrieg erlitt die Familie Not und Leid, so schreibt Scott im Vorwort. Nach dem Krieg wanderten sie nach Kanada aus, dort wurde Scott geboren.
Es geht um Erinnerungen, den Wert von gemeinsam verbrachter Zeit, es geht um das Unwiederbringliche, und daher das so Wertvolle, das man meist erst erkennt, wenn es Jahre zurückliegt. Gemeinsam verbrachte Zeit mit den Großeltern.
Die Baba, die manchmal weint, die, wenn Jordan Scott etwas fallen ließ beim Essen, es aufhob, es küsste und ihm zurückgab. Und die ihm auch das mit den Regenwürmern erklärte. Regenwürmer, so sagte sie, würden, wenn sie sich in die Erde graben, dafür sorgen, dass noch mehr Wasser und Luft und auch Nährstoffe in die Erde gelangen können.
Er, Scott, so schreibt der Autor in dem liebevollen Vorwort, sei ja längst ein erwachsener Mann, aber Regenwürmer sammle er immer noch.
Sydney Smith, der Illustrator ist ebenfalls Kanadier, er zeichnet ganz besondere Bilder, illustriert die Geschichte um den kleinen Jungen und seine Baba in eigentlich sehr groben Zeichnungen, eher plakativ als sich in Details verlierend. Aber es gelingt ihm überzeugend, die Emotionen der Geschichte wiederzugeben.
Da sind die großen, aufgeschlossenen Augen des Jungen, die behütenden Hände der Großmutter, die die Linien der Hand des Jungen zärtlich nachzeichnen, das Gesicht der Baba, alt, mit ergrauten Haaren, Falten und ein so überaus gutmütiges und wissendes Lächeln.
Irgendwann, als die Baba nicht mehr alleine leben kann, zieht sie zu den Eltern des kleinen Jungen. Und was bringt sie mit? Ein paar Samen ihrer sonnengelben kleinen Tomaten. Der jetzt große Junge und junge Mann hilft ihr: »Die habe ich in einem kleinen Blumentopf in die Erde gesteckt. Er steht jetzt bei ihr vor dem Fenster.«
Titelangaben
Jordan Scott: Der Garten meiner Baba
(My Baba’s Garden, 2023). Illustriert von Sydney Smith
Aus dem Englischen von Bernadette Ott
Stuttgart: Aladin Verlag 2023
40 Seiten, 18 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
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