Bär hat ein Problem mit seinen Augen: er sieht nicht so gut und trägt deshalb eine Brille. Beziehungsweise er sollte eine Brille tragen, aber das klappt manchmal nicht. Und draus ergeben sich merkwürdige Situationen, stellt ANDREA WANNER fest.
Die vor den Augen getragene Konstruktion, die als optisches Hilfsmittel Fehlsichtigkeit korrigiert, sitzt bei Bär gleich als wir ihm das erste Mal begegnen falsch, nämlich auf dem Kopf. Nur merkt er das nicht, sondern konstatiert nur, dass er sie nirgends finden kann. Also macht er sich ohne auf den Weg – beziehungsweise durchaus mit Brille, nur eben an der falschen Stelle.
Was er dabei alles entdeckt, ist unglaublich. Er begegnet tatsächlich einem Hirsch, einem Krokodil, einem Elefanten, einem Flamingo und einer Schlange. Das ist zumindest das, was er zu erkennen glaubt. Wir sehen, was wirklich auf seinem Weg ist: ein Baum, ein Busch, ein Felsbrocken, eine rosafarbene Blume und eine Giraffe, die auf dem Liegestuhl liegt. Sie ist es auch, die das Augenglas in die richtige Position bringt und Bär verblüfft feststellen lässt: „GIRAFFE!“. Nun berichtet er von den nie zuvor gesichteten Tieren und fügt die Formen und Farben zu dem zusammen, was sie ihm vorgaukelten. Gemeinsam und der Bär ausgerüstet mit Brille machen sie sich daran, den Weg zurückzugehen.
Der niederländische Autor und Illustrator spielt mit Schein und Sein, mit unterschiedlichen Wahrnehmungen und Irritationen ein doppelbödiges Spiel, auf das sich schon Kleine gern einlassen. Was sieht man, was meint man zu sehen, was bildet man sich ein und was reimt man sich – falsch – zusammen? Leo Timmers ist ein Meister dieses Fachs, wie er das auch in »Monstersee« gezeigt hat. Ein grandioser Bilderbuchspaß und ein Plädoyer für Brillen, so man sie denn braucht.
Titelangaben
Leo Timmers: Bär und seine Brille
(De bril van Beer, 2023).
Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart
Zürich: aracari 2024
36 Seiten, 15 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren