Sie wollen Fotografien genießen? Etwas über die Schwarzweiß-Fotografie und die besten Motive dafür lernen? Sich ein Stückchen weiterentwickeln in ihrer ganz eigenen Foto-Arbeit? Dann sind sie mit diesem Buch bestens ausgestattet, findet BARBARA WEGMANN
Seit drei Jahrzehnten ist er ein Top-Fotograf, mittlerweile einer der »weltweit meist publizierten« Fotografen, hat rund 170 Bücher veröffentlicht, so ganz nebenbei einen Master in Geographie und Anthropologie, und arbeitete für die »meisten internationalen Zeitschriften«. Also: In seine fachkundigen Hände darf man sich gerne begeben, wenn man denn über Fotografie, hier speziell die Schwarz-Weiß-Fotografie etwas lernen möchte.
»Für die meisten Menschen ist Farbe die Norm und bietet damit eine einfache Verbindung zu der Welt, die wir sehen«, schreibt Freeman. Gerade mit den Handykameras sei es einfach geworden, aufzuzeichnen, was sich vor unseren Augen befinde. Aber sie können ein ganz einfaches Experiment machen: Nehmen sie ihr Handy und fotografieren sie das, was sie gerade eigentlich so normal in Farbe ablichten wollten, einmal in Schwarz-Weiß, plötzlich werden sie feststellen: Das ist eine »ganz andere Ebene«. Wenn man wolle, könne man, so Freeman, Farbbilder genauer betrachten, aber Schwarz-Weiß-Fotografien würden immer noch weitaus genauer betrachtet. Mehr Aufmerksamkeit, ein stärkerer Blickfang, eine »persönliche Interpretation«. Eine Fotografie, die viel mehr als nur abbildet, denn das tut sie ja eigentlich gar nicht mehr, die Farbe fehlt, andere Dinge werden dafür wichtig, rücken in den Vordergrund.
In seiner Einleitung und den folgenden sechs Kapiteln erläutert Freeman mit viel Leidenschaft und Verständlichkeit Schritt für Schritt, was es mit diesem besonderen Stil, analog oder digital, auf sich hat. Er geht in die Geschichte, erläutert die technischen Voraussetzungen, geht auf verschiedene Stile ein und auf die Vielfalt von Schwarz-Weiß, denn es ist so viel mehr als eben nur Schwarz-Weiß. Tonwertgruppen, zwischen Schwarz und Weiß seien ein wichtiges Hilfsmittel in der Fotografie, verschiedene Werte, angewandt auf das jeweilige Foto schärfen Konturen, oder lassen bestimmte Dinge noch stärker aus dem Bild hervortreten. Und oft können Nuancen eine ungeahnt große Wirkung haben. Übrigens, so die Erfahrung des Profis: ein Schwarz-Weiß-Bild wird von sehr vielen Betrachtern als deutlich präziser empfunden. »Das gilt besonders für bestimmte Genres wie die Straßen- und Porträtfotografie sowie für die Krisen- und Kriegsberichterstattung.« Nun, vielleicht lenken Farben eben doch etwas ab, nehmen etwas von Eindruck, Aussage und Wirkung dessen, was abgelichtet wird.
Das Buch wird spannend durch seine Mischung von technischen Informationen zur Schwarz-Weiß-Fotografie und der fast philosophischen Seite. Ein Schwarz-Weiß-Bild kann sehr persönlich sein, sehr viel mehr erzählen als ein Farbfoto, intimer sein, eine deutlichere Handschrift haben als eine Farbfotografie. Farben könnten eben von der »Wahrnehmung eines Bildes ablenken, oder sie sogar stören«.
Vergessen wir nicht: Farbe auf Bildern, das gab es früher nicht, alles begann einmal mit Schwarz-Weiß. »Das Fehlen von Farbe wurde gemeinhin akzeptiert.« Heute kehre natürlich niemand zu dem zurück, was Schwarz-Weiß einmal gewesen sei, konstatiert Freeman. »Stattdessen entdecken wir, was Schwarz-Weiß in einer Welt bedeuten könnte, die von naturgetreu wiedergegebenen Farben beherrscht wird.«
Was es mit dieser fast magischen Wirkung auf sich hat, wie gesagt, versuchen sie es selbst, folgen sie den 176 Seiten und nehmen sie einfach mal ihr Lieblingsbild, fotografiert in Farbe und machen sie daraus ein Schwarz-Weiß-Bild. Man staunt!
Titelangaben
Michael Freeman: Schwarzweiß-Fotografie
Eine Masterclass für die Gestaltung und Ausarbeitung klassischer Schwarzweißbilder
dpunkt.verlag, Heidelberg
176 Seiten, 29,90 Euro