Comic-Künstler Bela Sobottke hat mit ›Terror 3000‹ ein neues Album bei Gringo Comics vorgelegt. Mit diesem kehrt er dem Italowestern erzählerisch den Rücken – und wendet sich stattdessen der Endzeit zu. Wobei seine knapp 1000 Jahre in der Zukunft angesiedelte Welt manchmal gar nicht weit weg erscheint. Von CHRISTIAN NEUBERT
Paketboden sind die Helden der Stunde. Spätestens seit Covid-Zeiten bestimmen sie quer durch die Gesellschaftsschichten die Geschicke des Alltags. Mit gezeichneten Bildern setzte ihnen schon Matt Groening ein Denkmal: ›Futurama‹ lässt die skurrile Besatzung eines Lieferraumschiffs noch skurrilere Geschichten erleben.
Auf deren Spuren wandelt nun Bela Sobottke. Auch er schickt ein paar spacige Gestalten auf interplanetarische Transportmissionen – nur halt Sobottke-Style. Will heißen: Hier und da spritzen Körpersäfte und Innereien durch liebevoll arrangierte Panel-Designs. So war das bei den Abenteuern von Knochen Jochen oder S.T.R. Anger, so ist das jetzt bei »Terror 3000«.
Im Zentrum von ›Terror 3000‹ steht die dreiköpfige Besatzung der »Space Parcel«, die im Jahr 3000 als Logistikdienstleister jene Orte ansteuert, die noch – oder inzwischen – bewohnbar sind. Denn: »In den letzten Jahrhunderten schrumpfte die Menschheit aufgrund der Klimakatastrophe auf 400 Millionen Individuen zusammen. Ganze Nationen wurden zu Wüsten oder von den angeschwollenen Weltmeeren verschlungen.
Blutige Verteilerkriege und der Schießbefehl an den Außengrenzen der United States of Europe sorgten für den Rest. Die Überlebenden suchten ihr Glück in weiter Ferne und tiefsten Tiefen. Sie gründeten Kolonien auf Mond, Mars und dem Grund der kühlen Ozeane. Wer die Erdoberfläche nicht verlassen wollte oder konnte, zog in die Großstädte der gemäßigten Regionen, wo die Temperaturen nur selten über 48°C kletterten.«
Angenehm kühl
Mond, Mars, Marianengraben: Das sind die Ziele der »Space Parcel« in ›Terror 3000‹. Was es da gibt? »AfD-Gesocks«, wie Crewmitglied Sam J. Warkowski mutmaßt? Ja – aber »nicht nur. Auch MAGA-Kultisten, Front-Nationalisten, Brexit-Extremisten, Putinisten, Orbanisten, Werteunionisten und Wagenknechte« weiß Yun, der Captain, zu berichten. Die Aufzählung spricht Bände: Bela Sobottke kotzt sich in einem neuen Band gehörig aus. Er bezieht Stellung, zeigt klare Kante, wie es heute heißt. Und packt dabei reichlich Zeitgeist in zeitlose Sci-Fi.
Als Leser gerät man dabei rasch ins Referenzen-Raten. Neben den offenkundigen Futurama-Anleihen fallen dem geneigten Comic-Leser angesichts von Sobottkes Kunst natürlich die längst legendären Métal Hurlant-Zeichner Moebius und Philippe Druillet ein. Der Autor dieser Zeilen identifizierte sogar ein Zitat der Kölner Rap-Gruppe Äi-Tiem. Darauf angesprochen sagte Sobottke: »Unglaublich. Dass das Zitat jemand erkennt, hätte ich nie gedacht.« Was durchaus den Schluss zuletzt, dass der Comic noch mehr nischige Nerd-Referenzen bereithält.
Heiße Action
Aber keine Sorge: ›Terror 3000‹ erschöpft sich nicht in Zitaten, Referenzen und Querverweisen. Der Comic ist ordentlich vollgestopft, sowohl inhaltlich als auch optisch, aber nie überbordend oder gar überfrachtet. Immer wieder reißen die Seitenlayouts mit ihren abgerundeten Panels auf, um Platz für ganz- oder doppelseitige, Psychedelika-getränkte Artworks zu machen. Die machen Spaß mit ihrem knalligen Retrofuturismus – und bezeugen Sobottkes Meisterschaft als Zeichner und Kolorist.
Wobei man auch seine Qualitäten als Erzähler nicht unterschlagen darf. Die Lektüre des kurzweiligen Bands bezeugen sie. Zwar ähneln sich die einzelnen Kapitel stark mit ihren Rückblicken, Running Gags und Gewalteskalationen. Aber hey: Mit Nazis und Co. abzurechnen ist nun mal Sisyphusarbeit – und dass die ewige Wiederkehr des Gleichen nichts für Weicheier ist, fand schon Nietzsche raus.
Titelangaben
Bela Sobottke: Terror 3000
Esslingen: Gringo Comics 2024
48 Seiten. 17,90 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander
Reinschauen
| Interview mit Bela Sobottke in TITEL kulturmagazin