Jede und jeder hat so Lieblingsstücke, die man am liebsten gar nicht mehr ausziehen möchte. Und bei so einem bunten, kuscheligen Pullover, wie die kleine Ich-Erzählerin besitzt, kann man sich das gut vorstellen. Aber der Pulli ist viel mehr als ein wärmendes Outfit, kann ANDREA WANNER nachvollziehen.
Gestrickt hat ihn ihre Oma. Wir sehen sie auf dem ersten Bild der Geschichte. Eine ältere, kräftige Frau sitzt in einem gemütlichen Sessel und arbeitet mit der Brille auf der Nase an dem fast fertigen Teil. Bunte Wollknäuel liegen in dem Korb neben ihr, gerade benutzt sie ein dunkles Blau, das auf dem Teppich vor ihr liegt und mit dem die Katze spielt. Ein kleines Mädchen steht neben ihr, neugierig auf Zehenspitzen gereckt, und schaut ihr zu. Das wird ihr Pullover. Im offenen Kamin prasselt ein Feuer, heimelig und gemütlich ist es in diesem Zimmer.
Masche für Masche stecken Liebe und Zuneigung in dem selbstgemachten Teil. Kunstvoll reihen sich die bunten Muster aneinander: bunte Ringel, senkrechte Streifen, Zacken, Karos in zartem Vanillegelb, Pink, leuchtendem Rot, Meerblau, Moosgrün … Leuchtend wie ein Regenbogen hängt er auf einem Kleiderbügel im Schrank, zwischen anderen, weitaus weniger spektakulären Teilen. Er ist dabei am ersten Schultag, beim Stadtbummel, bei einer Fahrt im Heißluftballon, im Museum, wo er selbst vor den Bildern wie ein Kunstwerk wirkt.
Nachhaltigkeit spielt eine Rolle, denn was so strapaziert wird beim Drachensteigenlassen oder dem Schmusen mit der Katze kann auch mal kaputtgehen. Aber er lässt sich reparieren. Auch das gehört zu den wichtigen Dingen im Leben: von Liebgewonnenem trennt man sich nicht, nur weil es nicht mehr ganz heil ist. Man flickt es, bessert es aus und sorgt so für ein langes Leben des Gegenstandes. Ein Leben, das in diesem Fall sogar länger dauert, als das der Großmutter. Der Pullover strahlt bei ihrer Beerdigung, auf der alle anderen das gewohnte Schwarz tragen. Ein Erinnerungsstück, dessen Abenteuer noch nicht vorbei sind, wie das Ende der Geschichte verrät.
Wunderschön und voller Gefühl hat Pauline Pete, Illustratorin aus Fulda, die 2024 ihren Master in Illustration abgeschlossen hat, diese warmherzige Beziehungsgeschichte gestaltet. Die Nähe zwischen den der Großmutter und ihrer Enkeltochter wird über diesen Pullover vermittelt, durch kleine, intime Momente zwischen den beiden, die nur wortlos gezeigt werden, keinen weiteren Kommentar brauchen. So viel ist in den Szenen versteckt, das verrät, wie vertraut sie miteinander sind, wie sehr sie sich mögen. Und dazu braucht es nun wirklich keine Worte.
Titelangaben
Pauline Pete: Lieblingspulli
Mannheim: Kunstanstifter 2024
40 Seiten. 22 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
Reinschauen
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