Verletzungen kleiner Art gehören zum Kinderalltag. Pflaster drauf und vergessen. Aber eigentlich ist so ein Unfall unfassbar spannend, wenn man mal genau hinschaut, findet ANDREA WANNER.
Keine erzählt das so wie Emma Adbåge. Sie macht das Alltägliche zum Besonderen und ihr gelingt in all ihren Bilderbüchern Kinder und das, was sie erleben, absolut ernst zu nehmen. Egal, um was es sich handelt.
Es passiert an der Tischtennisplatte und das Opfer kommt selbst zu Wort. Weil es keine Schläger mehr zum Spielen gibt, jagen sich die Kids gegenseitig rund um die Platte. Das macht umso mehr Spaß, wenn einer obendrauf steht und sie anfeuert. Das ist die Rolle unseres Ich-Erzählers. Er macht das gut und erst beim Abgang, der als lustiger Sprung geplant ist, passiert es: Er fällt hin.
Auf die Frage eines Mitspielers, ob er tot sei, antwortet er mit »Ich glaube nicht«. Aber es fließt Blut, alle kommen gerannt und herrscht ein Riesentrubel. Natürlich fließen Tränen, natürlich gibt es ein Pflaster und sehr, sehr viel Aufmerksamkeit und Mitgefühl. Und damit ist die Geschichte noch lange nicht vorbei. Die dauert – ungewöhnlich – tatsächlich bis zum Ende der Wundheilung.
Alles an diesem Bilderbuch ist wunderbar. Wie schlimm es ist, sich wehzutun. Wie unheimlich Blut ist. Wie man es auch genießen kann, mal im Mittelpunkt zu stehen. Emma Adbåge findet genau die richtigen Worte und Bilder. Banalität und Dramatik liegen nahe beieinander, alles daran ist genau beobachtet und liebevoll beschrieben. Mit viel Witz, Empathie und immer wieder herrlich lakonisch macht die Bilderbuchkünstlerin aus einer Kleinigkeit eine Geschichte, wie sie alle kennen und doch noch nie erzählt bekommen haben. Und so gesehen hat jede Verletzung das Zeug zur schönsten Wunde zu werden.
Titelangaben
Emma Adbåge: Die schönste Wunde
Weinheim: Beltz & Gelberg 2024
28 Seiten, 14 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
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