Zwanglos, natürlich, losgelöst

Kurzprosa | Der Literatur Kalender 2025

»Momente der Freiheit« lautet das Motto des feinen, schön gestalteten Literaturkalenders 2025 der Edition Momente. Von BETTINA GUTIERREZ

Freiheit ist ein hohes Gut, sie kann beflügeln, erleichtern, retten oder große Freude bereiten. In ihrem Literaturkalender 2025 »Momente der Freiheit« hat sich die Edition Momente nun dieses Themas angenommen. Mit Zitaten aus der Weltliteratur, Kurzbiografien und Informationen über die jeweiligen Texte führt die Literaturwissenschaftlerin Claudia Jürgens den Leser in diesem sorgfältig edierten und anschaulich bebilderten Kalender durch das neue Jahr.

Berücksichtigt werden hier von ihr vor allem auch die unterschiedlichen Konnotationen dieses Begriffs: So etwa, wenn sich Albert Camus in seinem Essay »Der Mythos von Sisyphos« auf die Freiheit des Handelns und des Geistes bezieht, die keiner Hierarchien bedarf. Oder wenn der Surrealist André Breton für eine tiefe, authentische Imagination, gleichzusetzen mit einem höchsten Gerechtigkeitsempfinden, plädiert. Stefan Zweig, der Verfasser der berühmten »Schachnovelle« fordert wiederum, dass man sich fernab der »eintönigen, eingleisigen, maschinellen« Neigungen der anderen einen eigenen Takt und Lebensrhythmus bewahren solle.

Für die spanischen Schriftsteller Ana Maria Matute und Javier Marías sind es die politischen Verhältnisse, die sie beengten und bedrückten: Ana Maria Matute flüchtete sich während ihrer Kindheit im Spanischen Bürgerkrieg in eine Nachtwelt, die ihr »ein leises Glücksgefühl« bescherte, das sie vor der Wirklichkeit und ihrer Familie schützte, die weder Träume noch das Gefühl  der Liebe kannte. Javier Marías spricht in seinem Roman So fängt das Schlimme an ganz offen von »der Verheißung eines normalen Landes« mit Wahlen und demokratischen Parteien nach dem Ende des Franco-Regimes. Und Thomas Mann betonte in der Rede »Das Problem der Freiheit«, die er 1939 auf dem Internationalen PEN-Kongress in Stockholm halten wollte, wozu es wegen des Kriegsausbruchs nicht kam, den Wert der Demokratie. Es gelte diese vor ihren Todfeinden, die ihr nach dem Leben trachteten, zu schützen, so mahnte er.

Heiter geht es dann in Wolfgang Hildesheimers Monolog »Tynset« zu, in dem das Nirgendwo der einzige Ort ist, an dem er von allem gelöst und von nichts als von der Witterung bedrängt völlig frei atmen könne. Der dänische Dichter Hans Christian Andersen sieht dagegen das Reisen als eine Art erlösendes Heilmittel an. Es sei, so meinte er, wie ein »stärkendes Bad für den Geist«, das immer wieder verjünge und für das Leben und die Bildung stehe. Klare Worte findet Friedrich Schiller, der Beste aller Idealisten, im Glaubensbekenntnis aus dem Jahr 1797: »Drei Worte nenne ich euch, inhaltsschwer, sie gehen von Munde zu Munde (…). Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei. Und würd´er in Ketten geboren. (…) Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, vor dem freien Menschen erzittert nicht!« ruft er aus. Es sind zeitlose, starke Worte, nicht nur zum Auftakt dieses Jahres.

| BETTINA GUTIERRÈZ

Kalenderangaben
Der Literatur Kalender 2025
Momente der Freiheit
60 Blätter. 24 Euro
Zürich: Edition Momente 2024
| Erwerben Sie diesen Kalender portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Tut gar nicht mehr weh

Nächster Artikel

Kurzstrecke

Weitere Artikel der Kategorie »Kurzprosa«

Laura

TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Laura

Sie war aus der Therapie ausgestiegen, es reichte ihr, sie hatte genug von dieser Methode, die Dauer des Lebens zu verlängern, vermutlich war so etwas von Nutzen für die Statistik, und doch war es lediglich das Sterben, das in die Länge gedehnt wurde, nein, Jürgen hatte zu diesem Zeitpunkt nichts mehr mit ihr zu tun gehabt, sagte Tilman, er werde das später erklären, sie ruhte einige Schritte entfernt von Kapelle neun, Ohlsdorf, eingeäschert.

Zivilisation III

TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Zivilisation

Nein, unmöglich, sagte Harmat, wie solle er sich das vorstellen.

Bildoon lächelte. Zum Ende, sagte er, es gehe auf das Ende zu.

Mit Siebenmeilenstiefeln, spottete Crockeye.

Gewiß, das habe er verstanden, schön und gut, sagte Harmat, aber wie – werde da ein Gong geschlagen, eine Glocke geläutet, knipse jemand das Licht aus.

Wie aus der Ferne klang sanft das Rauschen des Ozeans.

Eldin legte einen Scheit Holz ins Feuer.

Landschaft

TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Landschaft

Landschaft, jedermann hat seine inneren Landschaften, so einfach, die Dinge sind leicht zu verstehen: er ist abgründig, ein Fels in der Brandung, stürmisch, wolkenverhangen, ist eine Sandwüste, eine stille Lagune, eine aufblühende Wiese, ein reißender Gebirgsbach, du verstehst, jedermann hat seine inneren Landschaften, er könne sie pflegen, doch sie können sich ändern, indem unversehens ein Gewitter heraufzieht, oder sie wechseln zu einer anderen Szenerie.

Von Engeln

TITEL-Textfeld | Wolf Senff: Von Engeln

Eldin legte einen Scheit Holz ins Feuer, die Ojo de Liebre lud ein zu bleiben, der Walfang war eh eine Weile ausgesetzt.

Der Mensch solle sich nicht wichtigtun, sagte Sanctus, er sei ein befristeter Aufenthaltsort, den Engel aufsuchten, um sich zu bewähren, die Menschen würden ihnen anvertraut und durch Höhen und Tiefen begleitet.

Die Männer waren überrascht. Sanctus ergriff selten das Wort, was wußte er über Engel.

Pirelli räusperte sich.

Der Ausguck stand behutsam auf, Engel, Schutzengel gar, das war nicht sein Thema, nach wenigen Schritten verschluckte ihn die Dunkelheit.

Der Ozean rauschte von ferne.

Skurril, sagte Thimbleman.

straßbesetzt

Kurzgeschichte | Jürgen Landt: straßbesetzt angela merkel hatte sich in mich verliebt. der wahlkampf war schon zu ende. dennoch standen genügend öffentliche auftritte an. manchmal hielt ich mich etwas abseits, oftmals war ich direkt an ihrer seite. oftmals trug ich mein langes gelichtetes weißes haar mit einer klammer zusammengekniffen, manchmal ließ ich es einfach offen hängen.