Im Rodachtal

TITEL-Thema | Unterwegs in der Region ›Coburg.Rennsteig‹ in Oberfranken und Thüringen

Unterwegs in der Tourismusregion ›Coburg.Rennsteig‹: Über Würzburg und Schweinfurt kommt MARC PESCHKE, glänzender Sonnenschein, aber bitterkalt – so ist er, der Winter in Oberfranken.Große kulturelle Höhepunkte bietet die auch mit der Bahn von Berlin, München, Erfurt oder Nürnberg schnell erreichbare Region: Wer in der Gegend ist, muss sie sehen, die »Fränkische Krone«, die legendäre Coburger Veste mit ihrer markanten Silhouette. Wer den Aufstieg durch den wundervollen Hofgarten, angelegt im Stil eines englischen Landschaftsparks, gemeistert hat, der wird mit Fernblicken in alle Himmelsrichtungen belohnt – und mit Kunstsammlungen von internationalem Rang. Oberfranken, ehemals eine überaus kleinteilige Adelslandschaft – das ist heute eine Region der Burgen, Schlösser und Gärten.

Das von der Architektur des 19. Jahrhunderts geprägte Coburg ist überaus attraktiv, aber uns zieht es nach Bad Rodach, den kleinen Kurort im Naturschutzgebiet Rodachtal zwischen Bayern und Thüringen. Wir haben eine Ferienwohnung im Dorf Roßfeld gefunden, zwei Kilometer von Bad Rodach entfernt, im sympathischen Land- und Aktivhotel »Altmühlaue« – direkt am Flüsschen Rodach. Hier lässt es sich auch bei nebligem Februar-Wetter aushalten – man ist angeschlossen an ein großes Wandernetz. Und herrlich: Das Hotel verfügt über einen ansprechenden, kleinen Wellness-Bereich.

Eine Nummer größer kann man in Bad Rodach der Entspannung und der Gesundheit frönen, denn seit 1999 ist die Stadt Heilbad und Sitz der wärmsten Thermalquelle Frankens, der ThermeNatur mit 1000 Quadratmetern Wasserfläche und einer Wellness- und Saunawelt. Solewasser bis 34 Grad, zwei Innenbecken, zwei Therapiebecken sowie drei Außenbecken, darunter ein Becken zum aktiven Schwimmen und ein Solebecken mit Strömungskanal. Sprudeldüsen, Dampfbad, Kneippanlagen, verschiedene Saunen und Tepidarien – alles da! Zum Ruhen gibt es viele Liegen und sogar ein paar Wasserbetten. Neben der Therme ist auch der »Medical Park« ein Ort der Gesundheit: eine Rehabilitationsklinik mit Therapieangebot. Von hier führt eine kurze Wanderung hinauf zum Hausberg, dem Georgenberg mit der Henneburger Warte und Ausflugslokal.

Eine alter viereckiger Turm, der auf einer Stadtmauer thront. Dahinter sind kleinere Fachwerkhäuser zu sehen.

Der Kurpark und auch die historische Altstadt sind sehenswert. Schon 899 wurde der Ort erstmals urkundlich erwähnt. Nachwächterführungen werden angeboten, die uns zurückversetzen in die Zeit des Dichters Friedrich Rückert, der 1814 hier war und das, was er sah, zu einem Gedicht verarbeitete – und »Idylle Rodach« nannte. Rückert war Gast des Theologen und Philosophen Christian Hohnbaum, der hier als Superintendent wirkte und mit seiner Familie im Pfarrhaus in der Herrengasse 6 lebte. Das Pfarrhaus wurde zu einer Art Musenhof, in dem man dichtete, komponierte und malte und beste Kontakte zu Jean Paul, Karl Maria von Weber oder August-Wilhelm Schlegel pflegte. Das Gedicht Rückerts ist 308 Zeilen lang – ein Loblied auf Rodach, auf das »Lieblingskind des Himmels«.

Das Andenken an den Dichter, Sprachgelehrten und Übersetzer Rückert pflegt in Bad Rodach der Rückertkreis – ein Verein für Heimatgeschichte, dessen Wirken im Heimatmuseum dargestellt wird. Dieses kleine Museum hat seinen Sitz im Jagdschloss, das Mitte des 18. Jahrhunderts unter Franz Josias, Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld, erbaut wurde.

Das Schloss, die alte Stadtmauer, der Wallgraben, die Fachwerkfassaden, das Ensemble um die evangelisch-lutherische Stadtpfarrkirche – all das macht das Städtchen reizvoll. Vis-à-vis der Kirche, in der Kirchgasse 10, liegt die Keramik-Werkstatt von Sabine Seeger. Ihre schlicht-stilvollen Kreationen sind auch im »Rodach-Lädle« am Marktplatz erhältlich – neben weiteren Produkten lokaler Kunsthandwerker und Kunsthandwerkerinnen. Und noch ein weiteres Beispiel für gelungenen, innovativen Einzelhandel gibt es: In der Coburger Str. 11 bietet »Mit Herz und Seele« noch mehr schöne Dinge.

Nach Abschluss des Bummels kehren wir im Eiscafé Veneto am Markt ein, wo sich Inhaber Carlo Tietto über die Sonne freut. Er hat schon ausgewintert – und jeder Platz im Freien ist mit Liebhabern vorzüglicher italienischer Gelato-Kultur besetzt. Das winzige »Café Kiosk« am Markt wurde vor Kurzem in einem ehemaligen Friseursalon neu eröffnet. Dort kann man aber nicht nur Kaffee und Kuchen, sondern auch sein oberfränkisches Feierabend-Bier genießen, denn es hat von Donnerstag bis Samstag sogar bis 22 Uhr geöffnet.

Eine Ruinöse Burgmauer vor einer weiten Landschaft, neben der ein kahler Baum steht.Unweit von Bad Rodach thront die Ruine der Burg Straufhain bei Streufdorf auf einem der hier typischen, markanten Vulkankegel. Die Reste des Palas sind weithin sichtbar – zur Zeit des Bauernkriegs wurde die Burg zerstört. Diese Burg war die älteste der Region, noch älter als die Vesten in Heldburg und Coburg. Man kann sie herrlich erwandern: Verschiedene, stille Waldwege führen zur Burgruine hinauf. Von hier oben erblicken wir schon die wenige Kilometer entfernt liegende Veste Heldburg, die wir als Nächstes besuchen werden. Auch sie hockt auf einem ehemaligen Vulkanhügel. Das Deutsche Burgenmuseum hat hier seinen Sitz – und vor allem ist der Ausblick schön. Die Sonne wärmt an diesem Februar-Tag. Es liegt ein bisschen Frühling in der Luft. Wir blicken auf eine Landschaft, die nicht spektakulär ist, aber dennoch voller Reiz.

Die Veste reicht geschichtlich bis ins 12. Jahrhundert zurück – ein großartiger Bau, der in der Renaissance erweitert wurde. Baumeister Nikolaus Gromann formte aus der mittelalterlichen Burg das Ensemble mit dem ab 1560 errichteten »Französischen Bau«. »Fränkische Leuchte« wird die Veste genannt, die Wachposten für die Veste Coburg war – man verständigte sich zwischen den Burgen mit leuchtenden Feuerpfannen. Später residierte hier Georg II. von Sachsen-Meiningen, der »Theaterherzog« – und lebte seinen spätromantischen Burgentraum. Weniger traumhaft war das Leben jener Kinder, die hier zwischen 1954 und 1982 in einem Kinderheim der DDR untergebracht waren. Auch das: ein bedeutendes Kapitel der Zeitgeschichte, ein »DenkOrt«, dessen Historie eine Hinweistafel erzählt.  

Eine altertümliche Burg mit Türmen ud Burgmauern auf einem Bergrücken.

Heldburg selbst, der Ort am Fuße der Veste, ist ebenfalls sehenswert. Auch hier hat sich in der Altstadt viel Fachwerk erhalten. Manche Gebäude sind sorgsam restauriert, andere noch im Dornröschenschlaf. Auch die kleine Friedhofskirche St. Leonhard lohnt einen Besuch: ein schlichter Bau von anheimelndem Charakter.  

Weiter geht es nach Ummerstadt an der Rodach, wie Streufdorf und Heldburg in Thüringen im Landkreis Hildburghausen gelegen. Ummerstadt scheint aus der Zeit gefallen: die kleinste Stadt Thüringens. Wir finden wundervolles Fachwerk, die hier typischen Laubengänge, Schiefer-Verkleidungen und -Zierelemente. Denkmalgeschützte Architektur, wohin man nur blickt. Hier hat sich der Texaner Chris Bardin mit seiner Frau, der Architektin und ehemaligen Bürgermeisterin Christine Bardin, niedergelassen und betreibt nebenbei, Samstag und Sonntag, das kleine, gemütliche Bürgercafé.

Wir genießen den selbst gebackenen Kuchen, kommen ins Gespräch und Chris erzählt uns, wie es ihn, der einst in Hollywood Filmstoffe entwickelte, hierher verschlagen hat. Zwei Häuser hat der Firmenchef restauriert – und wir sehen: Es hat sich gelohnt. Und noch einen anderen gastronomischen Tipp haben wir: Jeden Freitagabend wird in der »Event-Werkstatt« gekocht, im alten Rathaus von Ummerstadt. Es finden – wie auch im Bürgercafé – zudem andere Veranstaltungen statt.

Eine kleine Kirche mit einem viereckigen Turm auf einem kleinen Friedhof, umgeben von kahlen Bäumen.

Der kleine Ort hat noch einen weiteren Superlativ zu bieten, denn die evangelisch-lutherische Kirche St. Andreas, die in ihrem Kern auf das 6. bis 8. Jahrhundert zurückgeht, ist die älteste Wehrkirche im Freistaat Thüringen. Die romanische Kirche thront auf einem Hang und war ehemals Mittelpunkt einer Kirchenburg – ein bauhistorischer Höhepunkt unserer Reise.

Ein Highlight für Wanderer und Wintersportler ist der Rennsteig weiter im Norden. Ein Höhenweg wie aus dem Bilderbuch, der den Thüringer Wald, das Thüringer Schiefergebirge und den nördlichen Frankenwald passiert. Fast 170 Kilometer schönste Natur vom Mittellauf der Werra bei Eisenach bis zum Oberlauf der Saale bei Blankenstein. Der Rennsteig ist der älteste und einer der bekanntesten Weitwanderwege Deutschlands – uralte, verwitterte Grenzsteine erzählen von seiner wechselvollen Geschichte.

Wir besuchen den heilklimatischen Kurort Masserberg, die »Perle des Rennsteigs«. Ein Ort, der auf über 800 Meter Höhe zwischen Rennsteig und Werra liegt. Wir sind kaum mehr als eine halbe Stunde mit dem Auto gefahren, doch hier hört man kein Fränkisch mehr – es wird Thüringisch gesprochen. Masserberg war früher eine Waldarbeitersiedlung, doch schon um die Jahrhundertwende kamen die ersten Touristen. 1906 wurde ein Kurhaus eröffnet – und der Ort avancierte zum Wintersport-Zentrum. Heute ist der Winter auch hier oben nicht mehr schneesicher. Der Ort muss neue Wege gehen – ein wenig Schnee liegt noch, doch viel zu wenig, um die Loipen zu spuren. Die Skilifte stehen still, aber auch das Wandern ist herrlich hier oben.

Ein bergauf führender Wanderweg durch einen verschneiten Nadelwald.

Der Rennsteig ist ein Kulturdenkmal mit 1300 historischen Grenzsteinen, ein »deutscher Bergpfad«, wie ihn Joseph Victor von Scheffel beschrieben hat, ein sagenumwobener Weg, den schon Luther benutzte – vor allem aber ist der auch von Thomas Mann in »Doktor Faustus« gepriesene Rennsteig heute ein vom Deutschen Wanderverband ausgezeichneter Qualitätswanderweg.

Zurück in Stressenhausen bei Bad Rodach: Die Hutelandschaft Rodachaue ist ein besonderes Landschaftsprojekt, eine Auenlandschaft, in der Heckenrinder und Konikpferde weitgehend wild leben. Früher war hier die innerdeutsche Grenze. Heute geben die imposanten Rinder den Ton an. Man kann – auf eigene Gefahr – die Hutelandschaft durchqueren, doch wir beobachten lieber aus der Ferne, abgetrennt durch einen Zaun.

Ein hoher Turm einer Grenzanlage mit Aussichtsplattorm und Antennen.Die Geschichte des Grenzlandes, vor allem der innerdeutschen Teilung, erzählt das Zweiländermuseum Rodachtal in Streufdorf mit seinen zwölf Außenstationen wie der Gedenkstätte Billmuthausen. Das Museum in den Kemenaten ist Teil einer mittelalterlichen Kirchwehranlage – es ist allerdings im Januar und im Februar geschlossen.

Nur wenige Kilometer entfernt liegt die Kreisstadt Hildburghausen, eine ehemalige Residenzstadt, die sich rühmen kann, ein Theater weiter zu bespielen, das bereits 1721 errichtet wurde. 2008 wurde es saniert. Noch etwas weiter Richtung Meiningen fahren wir, wo an der Einmündung der Schleuse in die Werra das ehemalige Prämonstratenserkloster Veßra liegt. Die noch in Teilen erhaltene romanische Klosterkirche, das Ensemble der Kloster- und Domänengebäude und das angegliederte Freilichtmuseum mit gemütlichem Café ist etwas ganz Besonderes, ein echter Höhepunkt im »Henneberger Land« in Südthüringen, wo wir uns jetzt befinden.

Eine massive Klosteranlage mit zwei viereckigen gedrungenen Türmen im Dunst.

Nach einem letzten Frühstück im Hotel »Altmühlaue« endet unsere Reise, unsere Fahrt ins Grenzland zwischen Thüringen und Bayern. Es ist eine ruhige, ländliche Gegend, etwas vergessen im ehemaligen Grenzgebiet, doch mit kulturellen Höhepunkten, Burgen, mittelalterlichen Kleinstadtperlen und einer einnehmenden Landschaft für Wanderer, Wintersportler und Radfahrer. Ein eher unbekannter, sehr sympathischer Teil Deutschlands, den wir schnell ins Herz geschlossen haben.

| MARC PESCHKE

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