Weshalb müsse man die Dinge schlechtreden, fragte Breuer.
Ob er wirklich den Eindruck habe, die Dinge würden schlechtgeredet, fragte Farb.
Breuer täusche sich, sagte Wette.
Ob man sie etwa schönrede, spottete Breuer.
Wie er darauf komme, fragte Tilman.
Breuer stockte. Er warf einen Blick nach dem Gohliser Schlößchen, das sich reizend unter der milden Nachmittagssonne spreizte, und tat sich eine Pflaumenschnitte auf.
Er habe sich über die Walfänger in der Ojo de Liebre informiert, erklärte Breuer, sie würden die Moderne kompromißlos ablehnen, Termoth, Gramner, LaBelle und die übrigen, in der Moderne sähen sie für die Menschheit keine Zukunft, null, ausnahmslos, wie könne das sein.
Farb reichte ihm einen Löffel Schlagsahne.
Die Dinge würden weder schön- noch schlechtgeredet, konstatierte Farb, keine Luftschlösser, keine Schwarzmalerei.
Die Moderne, sagte Breuer und strich die Schlagsahne auf der Pflaumenschnitte langsam und sorgfältig glatt, sei eine erfolgreiche Epoche, sie beruhe auf der Vorstellung einer kontinuierlichen Evolution und mehrerer Jahrhunderte von Wachstum und Fortschritt.
Und woran messe sich ihr Erfolg, fragte Wette.
Tilman schenkte Tee ein, Yin Zhen, sie hatten wieder das Service mit dem Drachendekor aufgedeckt, rostrot, das er aus Beijing mitgebracht hatte, wo er einen Halbmarathon auf der Großen Mauer gelaufen war, ich komme darauf zurück.
Annika legte ihr Reisemagazin beiseite.
Evolution, Wachstum, Fortschritt seien die Leitparolen dieser Epoche, sagte Tilman, verlogene Leitparolen, denn was hätten die Menschen real erreicht, wie seien die Reichtümer des Planeten verteilt, doch nein, nicht verteilt, sondern wer zuerst kam, habe sie sich kurzerhand als Besitz angeeignet, der Planet sei kolonisiert worden, von Verteilung, gar von einer gerechten Verteilung, könne nicht die Rede sein, und zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts seien die Menschen millionenfach von Armut heimgesucht, während verschwindend wenige in Luxus lebten, doch nichts geschehe, um diese Mißverhältnisse auszugleichen, nein, im Gegenteil, diese Situation werde gepflegt, und die Regierungen seien sich nicht zu schade, das Politik zu nennen.
Wette griff zu einem Marmorkeks. Nein, sagte er, das sei keine Schwarzmalerei, weiß Gott nicht, und, an Breuer gewandt, er möge sich umtun in den Städten, in ihren Elendsvierteln, und möge sich ein eigenes Bild verschaffen, sich ein eigenes Urteil bilden über den so lauthals gepriesenen Erfolg der Moderne und woran er sich messe.
Farb lächelte. In der Urzeit, sagte er, hätten die Menschen sorglos mitten im Chaos gelebt, sie seien eins mit der Welt gewesen und hätten Ruhe und Teilnahmslosigkeit genossen.
Zeiten änderten sich, sagte Annika, die Reichtümer des Planeten seien mal so und mal so verteilt worden, und die Moderne sei beileibe kein Vorbild, nein, keineswegs, ganz im Gegenteil, im antiken Ägypten zum Beispiel seien die Menschen mit Gütern des täglichen Bedarfs zentral versorgt worden, Tausch sei das Prinzip des Wirtschaftens gewesen, Geld unbekannt, sagte sie, keine Aktienmärkte, keine Milliardäre, sagte sie, ein Markt habe nicht existiert, doch sei jeder verpflichtet gewesen zu arbeiten, und nein, kein Gedanke an Wachstum oder an Fortschritt, auch keine Evolution, weder Luxusyachten noch Elendsviertel, alles unbekannt, kein Bedarf, nicht nötig, und diese ägyptische Kultur habe sich über mehrere tausend Jahre bewährt.
Zum Glück, sagte Wette, und man sehe ja, der Mensch könne auch anders, aus der Sicht jener Ägypter werde sich die Historie nicht als eine Evolution darstellen, sondern als eine Regression, und für die Moderne stelle sich aktuell die Frage, wie man sich ohne schmerzhafte Brüche von einer fehlgeleiteten Ökonomie trenne.
Schwierig, sagte Tilman, denn die Moderne steuere mit zunehmendem Tempo auf eine vernichtende klimatische Katastrophe zu, in ungeahnten Dimensionen.
Der Planet sei verletzlich, sagte Annika.
Die Menschheit nehme das noch nicht wahr, sagte Tilman, und der Planet werde die aggressive Ökonomie des Homo sapiens und die massiven Plünderungen nicht länger ertragen.