Die Familie Mandil lebt in Jugoslawien. Es ist ein gutes und glückliches Leben, das ein jähes Ende findet: Es herrscht Krieg, der Zweite Weltkrieg. Die Nazis besetzen Jugoslawien und der dort lebenden jüdischen Bevölkerung droht das gleiche Schicksal wie überall, wo die Schreckensherrschaft Fuß fasst. Die Familie muss fliehen und Hilfe findet sie an unerwarteten Orten. Von ANDREA WANNER
Gavril, aus dessen Perspektive erzählt wird, ist fünf Jahre alt. Gefühlt ist der Krieg weit weg, das Leben geht seinen Gang und er und seine jüngere Schwester Irena sind gerne im Fotogeschäft des Vaters, wo sie auch immer wieder Modell stehen für Bilder, die dann im Schaufenster ausgestellt werden, um Kunden anzulocken.
Bomben, Alarm und eine bange Nacht im Keller erleben sie das erste Mal, als sie bei Großmutter und Tante in Belgrad zu Besuch sind – und danach die Stadt nicht mehr verlassen dürfen. Sie müssen einen Judenstern tragen, der Vater wird zur Zwangsarbeit verpflichtet, die Deportation droht. So beschließen sie, zu fliehen.
Kein leichtes Unterfangen. Es braucht Vorbereitung, die Kinder werden vorher getrennt bei anderen Familien untergebracht, erhalten einen neuen Familiennamen, aus dem Vater Mosche wird Mirko. Dann sitzen sie endlich wieder vereint im Zug, zunächst unterwegs Richtung Pristina. Aber schon droht das Ende der Flucht: Sie werden aus dem Waggon geholt, zu einem Offizier gebracht, der sagt: »Ihr seid Juden. Ihr dürft nicht mit der Eisenbahn fahren.« Was die Familie rettet, ist tatsächlich ein Foto: Es zeigt die Geschwister Gavra und Beba festlich gekleidet neben dem geschmückten Christbaum. Der Vater hatte das Bild zufällig bei sich. Es gehört zu denen, die er aus Werbezwecken für die Kundschaft gemacht hatte und es rettet ihr Leben.
Maya C. Klinger erzählt die wahre Geschichte der Familie Mandil, die nach dem Krieg gleich nach der Staatsgründung nach Israel ging und dort ein Fotostudio eröffnete. Ihr Weg hatte sie von Pristina nach Albanien geführt und dort waren es muslimische Menschen, die sie unter Einsatz ihres eigenen Lebens versteckten bis zum Ende des Kriegs. Die Freundlichkeit und selbstlose Hilfe, die sie dort erlebten, berührt, gerade auch in heutiger Zeit, wo Geflüchteten vielerorts mit Misstrauen begegnet wird. Klinger findet einfache Worte, die bereits Kinder im Grundschulalter verstehen. Niemand verlässt ohne Grund seine Heimat, lässt Freunde, Hab und Gut, das eigene Zuhause zurück und bricht in eine unbekannte Fremde auf.
Die Geschichte wird begleitet von vielen Originalfotos, wie beispielsweise das mit dem Christbaum oder der Klasse in Albanien, wo Gavra als Ibrahim die Schule besucht. Wo es keine Bilder gibt, ergänzt Isabel Kreitz mit Schwarz-Weiß-Illustrationen die Szenen. Eine Geschichte, die rund 80 Jahre zurückliegt und doch nichts an Aktualität verloren hat, bewegend und zum Nachdenken anregend. Gavra setzte sich in Israel dafür ein, dass die albanische Familie, die sie aufgenommen hatte, in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als »Gerechte unter den Völkern« ausgezeichnet wurden, das Buch, das Buch wurde 2022 mit dem Yad Vashem Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet.
Titelangaben
Maya C. Klinger: Wie ein Foto unser Leben rettete
Die wahre Geschichte der Familie Mandil (hebräische Originalausgabe 2022)
Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer
Mit Illustrationen von Isabel Kreitz
Berlin: Insel 2025
120 Seiten, 15 Euro
Kinderbuch ab 7 Jahren
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