»Hör zu, sei gehorsam, folge. Zweifle nicht, zögere nicht, hinterfrage nicht.« Dieses Mantra aus zig Lautsprechern prägt den Tagesablauf von Nummer 8, prägt ihr Leben. Aber irgendwo lauern andere Gedanken, Widerspruch und Träume. Gespannt folgte ANDREA WANNER den unheimlichen Wegen der Dystopie.
Es ist ein nicht enden wollender Kreislauf ewig gleicher Tage. Geweckt werden von Evis Stimme aus dem Lautsprecher, aufstehen, zum Bahnhof gehen, zur Arbeit fahren, an einem Bildschirm immer wieder stupideste Aufgaben bearbeiten, nach Hause gehen, schlafen. Tag für Tag inmitten Tausend anderer, alle gleich aussehend, alle weiß gekleidet. Immer den Kopf gesenkt haltend, nie miteinander redend. Das ist die Bestimmung von Nummer 8 und ihrer Schicksalsgenossinnen.
Aber 8 ist anders. Sie spürt es, wehr sich dagegen, weil sie weiß, wie so etwas endet: in der Auslöschung. Nur wer gehorsam ist, wird zu denen gehören, die den Beseelten diesen dürfen. Also kann nichts anderes ihr Ziel sein. Und trotzdem: 8 träumt von der Flucht aus Surdus. Und dann trifft sie auf 1000 und plötzlich scheint nichts mehr unmöglich.
Dem niederländischen Autor Yorick Goldewijk gelingt eine beklemmende Dystopie. 8 lebt in einer Welt totaler Kontrolle, kein Schritt, keine Gedanken bleiben unbemerkt, alles hat Konsequenzen. Alle Versuche, das System zu durchschauen, womöglich gar auszutricksen, scheinen zum Scheitern verurteilt. »Immer wenn ich aus dem Fenster über die schneeweißen Türme von Surdus blicke, denke ich an Flucht.« – vom ersten Satz an zieht das Schicksal der Ich-Erzählerin in Bann.
Das eintönige Leben ist so ungeheuer trostlos, die Einsamkeit so unendlich groß, dass man ihr einfach wünscht, dass ihr Traum von einem anderen Leben in Erfüllung geht.
Geschickt verstrickt Goldewijk seine Leserinnen und Leser in ein rätselhaftes Labyrinth. Die Konfrontation mit einer erschreckenden Zukunftsvision führt auf falsche Fährten und ist dabei nahe an der aktuellen Realität. Das Vexierspiel, so viel sei verraten, hat eine ebenso verblüffende wie schockierende Auflösung, die garantiert überrascht.
Titelangaben
Yorick Goldewijk: 1000 und ich
Zweifle nicht, zögere nicht, hinterfrage nicht
(Duizend & ik, 2023). Aus dem Niederländischen von Sonja Fiedler-Tresp
Hamburg: dragonfly 2025
160 Seiten, 15 Euro
Jugendbuch ab 13 Jahren
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