Sterne, Feuer, Metropolis. Schon der Auftakt verheißt Großes: LED-Lichter auf einem Screen eröffnen ein Universum aus Planeten, Galaxien und Weltgeschichte. Plötzlich taucht Metropolis auf – und Berlin als Ikone der illuminierten Kunstformen? ANNA NOAH schaut nicht einfach nur eine Show, sondern taucht ein, in eine Welt aus illuminierten Visionen.
»Im Anfang war das Feuer«
Vartan Bassil von den ›Flying Steps‹ hat sich zum zweiten Mal mit Akrobat*innen des Wintergarten-Varieté-Ensembles zusammengetan, um gemeinsam mit ihnen eine besondere Show zu kreieren.
Vom Feuertanz zu ›Toxic‹ über Licht-Ringe bis hin zur übergroßen Edison-Birne – das Thema Licht zieht sich als roter Faden durch die erste Hälfte der Show. Eine KI-Stimme erklärt dabei, was Licht eigentlich für das Leben auf dem Planeten bedeutet: Ursprung, Geschichte, Kunst. Ein schönes Element, das der Show Struktur gibt – zumindest am Anfang.
Was folgt, ist ein Kaleidoskop aus Show-Acts: Breakdance-Einlagen wechseln in gewohnter Manier mit klassischen Klängen, dazu gesellt sich Jonglage der ›Canaval Twins‹ – ihre LED-Kegel zeichnen je nach Wurftechnik leuchtende Muster in die Luft oder verwandeln sich sogar in Schlagzeugsticks. Hinzu kommen eindrucksvolle Akrobatiknummern: Mit seinem fünfzehn Kilogramm schweren Metallring tanzt Jeka Dehtiarov über die Wintergarten-Bühne, während die ›Segura Brothers‹ unvergessliche Bilder hinterlassen. Nur mit der Kraft seiner Beine katapultiert der eine Bruder den anderen in die Höhe, wo dieser riskante Sprünge und Salti wagt – und das sogar mit verbundenen Augen.
Eine weitere wilde Choreographie, zusammen mit dem LED-Screen und Leuchtstäben in den Händen, erinnert nicht nur an Harry Potter, auch Star Wars, Mission Impossible und vieles mehr ist vertreten. Alles scheint möglich – und manchmal auch ein wenig zu viel.
Ein rasantes Konzept, das gegen Ende ins Offene driftet
Interessant sind die Szenen mit Nebel und Schatten: Bewegung wird zur Erinnerung, die Abwesenheit von Licht zur Spur einer Ahnung. Tänzerisch wie auch musikalisch zeigt die Show hier eine andere, disharmonische Seite – ein reizvoller Kontrast zu den Elektro-Hits.
Spektakulärer Höhepunkt ist die Motorradnummer der ›VR Universal Drivers‹ in der Metallkugel: Drei Fahrer jagen mit atemberaubender Geschwindigkeit durch eine Kugel von 3,80 Metern Durchmesser. Ein Moment zwischen Staunen, Nervenkitzel und dem leisen Gedanken: Hoffentlich geht das gut.
Positiv fällt auch die Breakdance-Choreografie auf, die im Vergleich zu anderen Shows äußerst präzise und perfekt abgestimmt wirkt. Während die ›Flying Steps‹ in eigenen Produktionen oft durch ein Nebeneinander vieler unterschiedlicher Moves auffallen, stand hier klar die Synchronizität der acht Tänzerinnen und Tänzer im Vordergrund.
Was zunächst als klar strukturierte Reise durch verschiedene Licht-Elemente beginnt, verliert in der zweiten Hälfte etwas an Stringenz. Die KI-Stimme verstummt, die Übergänge wirken weniger harmonisch, und die Inszenierung nähert sich stärker einer Varieté-Revue. Vielleicht soll damit angedeutet werden, dass sich Licht nicht einfach katalogisieren lässt, sondern unaufhörlich in alle Dimensionen weiterwandert – ein schöner Gedanke.
Essen oder nicht essen, das ist hier die Frage
Ein reizvolles Extra ist das Konzept, während der Show zu speisen. In der Praxis sorgt dies jedoch für spürbare Unruhe im Saal: Das Servicepersonal ist ständig in Bewegung, Gäste machen sich auf den Weg zur Toilette, und trotz lauter Musik sind klapperndes Besteck und Gespräche nicht zu überhören. Wer sich leicht ablenken lässt, stößt hier schnell an seine Grenzen – die Aufmerksamkeit wandert unweigerlich vom Geschehen auf der Bühne zum eigenen Teller. So verpassten manche eine äußerst amüsante Seifenblasen-Darbietung, die den klassischen Clown charmant ersetzte. Darren Burrell alias »Burl« vollbringt Erstaunliches mit Seife und Licht: Mit bloßen Händen und einer Prise Comedy zaubert er kleine wie große Blasen, Blasen im Inneren anderer Blasen oder sogar mit Rauch gefüllte Gebilde.
Alles in allem lässt sich die gesamte Show selbst mit einem reichhaltigen Buffet vergleichen: voller Überraschungen, mal chaotisch, mal artistisch. Eine Inszenierung, die vom Licht als Ursprung allen Seins erzählt, Bewegung und Klang feiert und Hochtechnologie mit menschlicher Virtuosität verbindet. Überraschend auch die Schlussperformance: Alle Darstellenden tanzen dieselbe Choreografie, perfekt synchron – Bravo!
Wer sich auf die kaleidoskopartige Vielfalt – auch musikalisch – einlässt, erlebt ein modernes Gesamtkunstwerk voller »Wow«-Effekte.
Titelangaben
FLYING LIGHTS
Fusion aus Licht und Bewegung
Eine Koproduktion des Wintergarten Varietés Berlin und der »Flying Steps«
Regie: Rodrigue Funke, Jeffrey Jimenez und Vartan Bassil
Termine auf der Webseite