Ganz eindeutige Sache: man sitzt im Theater, auf der Bühne passiert etwas und am Ende klatscht das Publikum. Und was, wenn das mal andersrum wäre? Ein geniales Gedankenspiel ist ANDREA WANNER überzeugt.
Ein kleiner Junge hatte sich auf den Papa-Tag gefreut. Aus dem wird leider nichts und statt mit Papa Eis essen zu gehen, muss er Mama ins Theater begleiten. Darauf hat er nun überhaupt keine Lust. Und auch das Eis, das Mama ihm anbietet, will er nicht. Im Theater angekommen, erlebt er allerdings etwas Unglaubliches. Die Schauspieler auf der Bühne stehen einfach nur da und fangen irgendwann an zu applaudieren. Der Beifall ist ansteckend, schnell klatscht das ganze Publikum. Und dann sucht sich der Lichtstrahl des Scheinwerfers einzelne Personen heraus. Sie werden angeleuchtet, ihnen wird zugejubelt, ehe das Licht weiterwandert.
Die Menschen reagieren sehr unterschiedlich darauf, im Rampenlicht zu stehen – also beobachtet und öffentlich wahrgenommen zu werden. Manche sind nervös und werden rot, andere freuen sich. Und dann ist es auf einmal die Mutter des Jungen, auf der die Aufmerksamkeit ruht. Und er beobachtet erstaunt, wie sie plötzlich aufblüht.
Was für eine besondere Geschichte erzählt Orit Gidali da. Aus schlechter Laune wird plötzlich wie durch ein Wunder ein neuer Blick auf die Dinge. Lob und Anerkennung verändern alles. Der Junge, der gerade selber eine schwierige Zeit durchmacht, spürt das. Mutter und Sohn nehmen das Spiel auf der Bühne, das alle meint, mit nach draußen in ihren Alltag. Sie formulieren mit wenigen Worten, dass sie den jeweils anderen Wert schätzen und anerkennen. Und plötzlich ist alles anders. Und gut. Sogar das Eis, das sie sich teilen.
Eine besondere Idee ist die, dass echte Theaterbesucherinnen und -besucher dem Ganzen zugrunde liegen. Sie wurden ausgewählt, erzählten ihre Geschichte und dann liebenswert in Szene gesetzt. Im Anhang gibt es ihre Fotos und kleine Erkennungsmerkmale, die zu ihnen gehören.
Und dann schwelgt Keren Katz bei ihren fantasievollen Illustrationen in Mustern. Originelle Mäntel, ornamental verspielte Outfits, wo sich das Innere nach außen wenden lässt, ein Rausch an wehenden Schals und Tüchern, farbigen Gewändern, die ihre Trägerinnen und Träger herausheben. Jede und jeder ist etwas Besonderes.
Das spürt auch der Junge, macht die Augen auf – und sieht. So wie wir alle das können, wenn wir nur wollen. Genau hinsehen, den oder die anderen wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Da kann ganz viel geschehen.
Titelangaben
Orit Gidali: Bravo!
Illustriert von Keren Katz
Aus dem Hebräischen von Lucia Engelbrecht
Tulln an der Donau: Vermes Verlag 2025
40 Seiten 20 Euro
Bilderbuch ab 5 Jahren
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