5 nach 12

Kinderbuch | Luke Adam Hawker: Der letzte Baum

Ein kleines Mädchen wächst in einer Welt auf, in der es keine Bäume mehr gibt. Die Menschen haben es geschafft, der verletzlichen Natur den Garaus zu machen. Sind wir am Ende der Geschichte angekommen? Es gibt Grund zur Hoffnung. Von ANDREA WANNER

Das Bild eines Baumes. Davor sitzt ein Mädchen auf einer Bank.Olivia geht zur Schule, wo sie immer als Letzte von ihrem Vater abgeholt wird. Die beiden haben eine innige Beziehung, fahren gemeinsam mit der Bahn heim und träumen sich zu Hause mit Büchern in andere Welten.

Und dann kommt der Tag, an dem Olivia mit ihrer Klasse das Baummuseum besucht, das vor vielen Jahren von den Menschen erbaut wurde, die die letzten der Baumgeneration waren. Das Mädchen sieht dort das große Gemälde eines knorrigen Baumes – und findet sich auf einmal in dem Bild wieder. Es ist der letzte Baum, der sie zu sich einlädt, und von dessen mächtiger Krone aus sich ein gewaltiger Anblick auf einen riesigen Wald bietet. Grenzenloses Staunen, Ehrfurcht, Neugierde und Furcht: ein Wechselbad der Gefühle begleitet diesen märchenhaften Ausflug in eine vergangene Welt. Nur ein Traum? Ein Souvenir in Olivias Hand erzählt eine andere Geschichte.

Der Sunday Times Bestseller-Autor Luke Adam Hawker erzählt poetisch und eindringlich ein Abenteuer, das nachdenklich macht. In zarten, detailreichen Schwarz-Weiß-Illustrationen lässt er die innige Vater-Tochter-Beziehung lebendig werden, zeichnet die geradlinigen Formen der Architektur nach, schrumpft die Menschen in dieser baumlosen Welt zu winzigen Ameisen. Und dann erwacht die Natur mit organischen Gestalten zum Leben, weist dem Menschen einen ganz anderen Platz zu, erfüllt mit Respekt und einem Schauder, dass das wirklich alles auf dem Spiel stehen soll.

Olivia ist nur ein kleines Mädchen, das einem großen Geheimnis auf der Spur ist. Ein Kind, das spürt, das die Wahrheit nicht in den verbauten Städten und ihrem monotonen Grau liegen kann, sondern dass die Wälder mit ihrem reichhaltigen Leben für die Menschen essentiell sind. Ein großes Wissen, das für einen neuen Anfang steht und gleichzeitig eine Mahnung an uns alle, es nicht so weit kommen zu lassen.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Luke Adam Hawker: Der letzte Baum. Ein Samen der Hoffnung
(The Last Tree. A Seed of Hope, 2023)
München: Pattloch 2023
64 Seiten, 18 Euro
Bilderbuch ab 6 Jahren

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Eine Flucht durch Eis und Schnee

Nächster Artikel

Bilder, die ich nie malen werde, hämmern mit ihren Fragezeichen an meine Schläfen

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Ein ziemlich grüner Daumen

Kinderbuch | Antje Damm: Die Wette

Es gibt Menschen, deren Pflanzen gedeihen besonders gut. Ihre Blumen werden besonders schön und blühen üppig, ihr Obst ist besonders köstlich, ihr Gemüse frisch und knackig. Ob es dafür ein Geheimrezept gibt? Um so etwas Ähnliches geht es jedenfalls in der Wette zwischen Lilo und Hein. ANDREA WANNER spürt den Frühling in dieser Geschichte.

Megacool

Kinderbuch | Katja Reider: Cool in 10 Tagen Was liegt näher als sich zusammenzutun, wenn man Juli und August heißt? Das findet wenigstens Julis Mutter. Vernetzen ist sowieso ihr Ding. Und tatsächlich finden Juli und August ein gemeinsames Projekt: sie wollen cool werden. Von ANDREA WANNER

Er ist einfach zu lang

Kinderbuch | J.John/L.Smith: Roberta und Henry Das kennen wir alle: So oft sind wir nicht mit uns zufrieden: Die Haare sind zu glatt, zu dünn, zu kraus, die Lippen zu schmal oder zu dick. Der Hals ist zu scheckig, zu streckig oder zu halslos – so geht es Roberta und Henry. Ein wunderbares Bilderbuch, grandios übersetzt von Andreas Steinhöfel. SUSANNE MARSCHALL ist begeistert.

Wem gehört das Wasser?

Kinderbuch | John Kilaka: Schneller Hase   Für wen ist eigentlich das Wasser da? Nur für den Stärkeren? John Kilaka verpackt ein ernstes Thema in ein buntes und spannendes Bilderbuch, in eine farbenprächtige Fabel. Von BARBARA WEGMANN

Es gibt nicht Nichts

Kinderbuch | Øyvind Torseter: Das Loch Es gibt absichtliche Löcher, die da sind, wo sie hingehören und sein sollen: das Loch in der Minigolfbahn zum Beispiel, in das man den Ball versenken soll. Oder das bei der Gitarre, damit die überhaupt klingen kann. Es gibt Löcher, über die man sich ärgert – wie das in der neuen Jeans. Oder solche, die schmerzen, wie das im Zahn. Ein Loch, wie es uns hier begegnet, ist allerdings ungewöhnlich. ANDREA WANNER staunte.