Grundsätzlich darf jede Person selbst entschieden, ob und in welchem Zusammenhang Bilder von ihr gemacht und veröffentlicht werden dürfen. Die 17jährige Sherezade hat andere Erfahrungen gemacht. Von ANDREA WANNER
Wie ist das, wenn die ganze Welt, wer man ist? Wenn alle privaten und intimen Momente, alle Peinlichkeiten, alle Gefühle mit den Followern geteilt werden? Sherezade kennt nichts anderes. Sie wurde als kleines Kind von Anton und Merle adoptiert. Seitdem teilen @therealwhites ihr Leben und das Heranwachsen ihrer Tochter mit einer wachsenden Zahl von Followern, die irgendwann mehrere Millionen umfasst.
Ihr süßer kleiner Liebling wird bei allem gefilmt, wirbt für altersentsprechende Produkte und Klamotten, wird rund um die Uhr von den Eltern vermarktet. Die Folgen für Sherezade? Sie kann niemandem über den Weg trauen, ist einsam und hat immer ein Lächeln auf den Lippen, das nicht echt ist. Bis die 17-jährige nicht so weiterleben kann und ein Zeichen setzen will. Das geht gründlich schief.
Die Geschichte beginnt ihrem Transport in Begleitung eines Sozialarbeiters aus dem Jugendarrest in die Sächsische Schweiz. Dort soll sie an einem Programm für Jugendliche teilnehmen, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind. Das Morgenlicht-Programm wird eine Überraschung – und eine Chance für Sherry, wie sie sich ab sofort nennt.
Basma Hallak schreibt ein eindringliches Buch über »Sharenting« – einer Kombination aus »sharing« und »parenting«. Dabei posten Eltern Fotos oder Videos oder ganze Accounts ihrer Kinder – manchmal aus Stolz oder zur Unterhaltung, manchmal aber auch wie im Fall der Whites, um damit Geld zu verdienen. Das Kind wird zum Objekt, ist Mittel zum Zweck.
Die digitale Kinderarbeit kann verheerende Folgen haben. Sherry leidet unter den öffentlichen Inhalten, darunter, dass alle ihren Körper kennen und peinliche Bilder und intime Details dauerhaft online sind. Sie hat keinerlei Kontrolle über ihre digitale Identität und der öffentliche Druck, ständig perfekt zu wirken, hat sich längst negativ auf ihr Selbstbild und die Entwicklung ausgewirkt. Der Versuch, all das hinter sich zu lassen, geht beim Lesen unter die Haut. Da verzeiht man der Autorin auch kleine Ungereimtheiten und die allzu netten Menschen im Morgenlicht-Programm.
Aufwühlend und ein guter Anlass, darüber nachzudenken, wer was wann wo postet.
Titelangaben
Basma Hallak: Please Unfollow
Hamburg: Arctis 2025
416 Seiten, 19 Euro
Jugendbuch ab 14 Jahren

