Die 12jährige Steffi und ihre kleine Schwester Nelli kommen aus Wien, jetzt feiern sie Weihnachten auf einer kleinen schwedischen Schäreninsel: alles ist fremd und ungewohnt. Aber das kennen sie schon… ANDREA WANNER findet, dass sich dieser Klassiker auch wunderbar als weihnachtliche Lektüre eignet.
Es ist Weihnachten 1929. Die Eltern haben die beiden Schwestern bereits im Sommer nach Schweden geschickt, weil der Naziterror das Leben in Österreich zu schwierig macht. Ihre Töchter sollen in Sicherheit leben. Der Preis ist hoch. Sie kommen nicht wie geplant in eine Familie. Nelli gelingt es in ihrer Pflegefamilie schnell Anschluss zu finden, lernt die fremde Sprache ohne Probleme. Steffi tut sich schwerer und hat auch Schwierigkeiten ein Verhältnis zu ihrer reservierten Pflegemutter zu finden.
Als die beiden endlich in die Schule dürfen, weil sie genug Schwedisch sprechen, wird das Leben interessanter. Aber auch die Mitschülerinnen und Mitschüler stehen Steffi teilweise reserviert gegenüber. Das geplante halbe Jahr, nach dem sich die Familie in Amsterdam treffen wollte für die Überfahrt nach Amerika, geht vorüber. Stattdessen kommt Weihnachten mit ungewohnten Bräuchen wie dem Luciafest – dem Steffis lange Haare zum Opfer fallen – und noch mehr Heimweh. Ein besonderes Weihnachtsfest, zum ersten Mal ohne Eltern in einem kalten, fremden Land, das sich nicht wie eine Heimat anfühlt.
Annika Thors Debütroman erschien bereits 1996 auf Schwedisch, zwei Jahre später auch Deutsch. 1999 wurde er mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Er ist der Auftakt einer Tetralogie, in der die schwedische Autorin jüdischer Eltern die Geschichte der beiden Schwestern Steffi und Nelli erzählt.
Für diese Neuausgabe hat Sabine Wilharm treffende Illustrationen gefunden, die die Emotionen perfekt einfangen, die Situationen lebendig werden lassen – und ein ganz kleines bisschen auch mit ihrem sympathischen Witz ein paar unangenehme Momente entschärfen, ohne der Geschichte das Mindeste an Tiefe zu nehmen.
Es ist immer noch ein wichtiges Buch, in dem es um andere Religionen geht, um Bekehrungsversuche, um Geflüchtete. Klug und bedeutsam und eine unbedingte Leseempfehlung – zu der es hoffentlich auch die drei Folgebände mit Illustrationen geben wird.
| ANDREA WANNER
Titelangaben
Annika Thor: Eine Insel im Meer
(En ö i havet, 1996)
Mit Illustrationen von Sabine Wilharm
Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch
Berlin: Insel 2025
304 Seiten. 17 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren
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| Leseprobe

