/

Dicht an der Quelle

Gesellschaft | Glenn Greenwald: Die globale Überwachung

Mit ›Die globale Überwachung. Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen‹ hat Glenn Greenwald das wohl wichtigste Buch zum NSA-Skandal geschrieben. Von JAN FISCHER

Glenn Greenwald: Die globale ÜberwachungSeit dem 1. Juni 2013 ist die Welt eine andere, soviel kann man wohl mit Sicherheit sagen. Es ist schon über ein Jahr her, seit Edward Snowden die ersten kleinen Teile dessen auf die Welt losließ, was sich nach wie vor zu einer Dokumentation staatlicher Überwachung auswächst, wie es sie in diesem Ausmaß noch nie gegeben hat.

Mit Handys im Schneckenhaus

Gerade erst veröffentlichte Spiegel Online Dokumente, die in direktem Bezug zur großflächigen Überwachung auch in Deutschland stehen.

Tatsächlich ist aber das größte Problem des ganzen Konglomerats aus Affären, Affärchen, diplomatischen Spannungen und kryptisch abgekürzten Überwachungsprogrammen die wirklich gigantische Unübersichtlichkeit des Komplexes aus – angeblich – 1,7 Millionen Dateien, die Snowden von den Servern der NSA auf seinen USB-Stick gezogen haben soll. So war, angesichts der Komplexität, der Größe dieses Skandals, die Welt zwar empört, zog sich dann aber größtenteils auch wieder in ihre jeweiligen Schneckenhäuschen zurück und spielten mit ihren Handys, als sei nichts gewesen. Wer nichts zu verbergen hat, so eine beliebte Argumentation, hätte auch nichts zu befürchten, und Norbert Lammert teilte in einer Bundestagsdebatte mit, er trüge die Überwachung mit »Fassung«.

»Beobachtet zu werden macht unfrei«

»Beobachtet zu werden macht unfrei«, schreibt Glen Greenwald in seinem Buch ›Die globale Überwachung. Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und Folgen‹, und das ist ein Mantra, das sich durch das Buch zieht, mit dem Ziel, die Argumente derer zu entkräften, die sich nicht betroffen sehen. Genau wie ›Die globale Überwachung‹ das eine Buch aus der Flut der Publikationen zum Thema Snowden ist, das man lesen sollte. Denn Greenwald war – zusammen mit der Dokumentarfilmerin Laura Poitras – einer der ersten Journalisten, die Snowden in Hongkong trafen. Snowden hatte Greenwald ausgesucht, weil dieser auch schon vorher gegen die Überwachung der amerikanischen Bevölkerung durch die NSA vorgegangen war. Greenwald war auch derjenige, der die ersten Artikel und Dokumente zur NSA-Affäre im Guardian veröffentlichte, und dessen Ehemann David Miranda daraufhin Repressalien ausgesetzt war.

Erklärungen direkt von der Quelle

Insofern ist Greenwalds Buch die beste – und informierteste – Quelle, für alle, die sich für die NSA-Affäre interessieren. Greenwald erzählt in ›Die globale Überwachung‹ von seinem ersten Kontakt zu Snowden, von schlaflosen Nächten und Interviews in Hongkong, von den Bedenken und Schwierigkeiten, die er vor der Veröffentlichung der Artikel und Dokumente hatte. Er erklärt, wie genau er und Snowden zu erreichen versuchten, dass sich die Aufmerksamkeit der Medien auf die Inhalt der Dokumente richtet und nicht auf Snowden als Mensch. Vor allem aber erklärt Greenwald die NSA-Dokumente, er erklärt die unterschiedlichen Überwachungsprogramme, die Abkürzungen, zeigt internationale Verflechtungen auf. Und er macht sich auf gut 370 Seiten dafür stark, dass das, was Edward Snowden ans Licht gebracht hat, uns alle betrifft. Das ist zwar schon oft gesagt worden, aber vielleicht kann man es nicht oft genug sagen, vor allem, weil Greenwalds Argument durch seinen Zugang zu sämtlichen Originaldokumenten und seine Gespräche mit Snwoden zwar stark subjektiv sind, aber doch von jemandem kommen, der so dicht an der Quelle sitzt, wie es kaum dichter geht.

| JAN FISCHER

Titelangaben
Glenn Greenwald: Die globale Überwachung. Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen
München: Droemer 2014
368 Seiten. 19,99 Euro

1 Comment

  1. […] befasst sich dort vor allem auch mit der Reform des europäischen Datenschutzrechtes, die gerade im Snowden-Nachklapp ein beachtliches Interesse erfahren hat. Und hat – wohl auch im Fahrwasser der Enthüllungen – […]

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Von der Natur. Und der des Menschen.

Nächster Artikel

›Globale Überwachung‹ zu gewinnen

Weitere Artikel der Kategorie »Gesellschaft«

Von Politikern und Journalisten

Gesellschaft | Friedemann Weckbach-Mara: Deutschland – Deine Politiker »La pentola guardata non bolle mai«, sagt man in Sizilien. Mit diesem Bild eines Topfs voller Wasser, das auf dem Herd solange nicht zu kochen beginnt, wie jemand zuschaut, lässt sich der Idealzustand des Verhältnisses von Politik und Journalismus beschreiben. Als »Vierte Gewalt« soll die Presse das Tun und Nichtstun der Politiker beobachten, darüber berichten und so dem Missbrauch von Macht vorbeugen. Allein, um an ihre Informationen zu kommen, sind Journalisten letztlich auf ein mehr oder weniger enges Verhältnis zu Politikern angewiesen. Die daraus entstehenden Probleme sind auch denen bekannt, die nicht

Neue Subjektivität

Gesellschaft | Peter Engel, Günter Emig (Hg.), Die untergründigen Jahre   Niemand zählt noch Epochen. Oh, das fiel Ihnen bislang gar nicht auf? Noch immer scheint ungewiß, ob die Postmoderne abgeräumt ist, und falls ja, seit wann genau, und wo wir uns derzeit befinden. Intelligenz, verkünden die Großfürsten der digitalen Verwirrung, sei jetzt künstlich, und seit neuestem, lesen wir, gibt es lebenden Beton. Na denn. Von WOLF SENFF

Victoria, Victoria!

Gesellschaft | Antje Schrupp: Vote For Victoria! Preisfrage: Von wem stammt diese Aussage? »Während andere meines Geschlechts zu zeigen versuchen, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, warum Frauen in sozialer und politischer Hinsicht als dem Mann untergeordnet behandelt werden sollten, habe ich unerschrocken die Arena der Politik und der Wirtschaft betreten und die Rechte ausgeübt, die ich bereits besaß. Deshalb kündige ich hiermit meine Kandidatur für die Präsidentschaft an.« Die für viele überraschende Antwort (nicht nur darauf) hatte Antje Schrupp schon 2002 in ihrer Dissertation gegeben, jetzt erscheint sie neu, pünktlich zum aktuellen Wahlkampf, als mitreißender Galopp durch ein Stück

Den Blick für die Wirklichkeit öffnen

Gesellschaft | Götz Eisenberg: Zwischen Amok und Alzheimer. Zur Sozialpsychologie des entfesselten Kapitalismus   Seine Eindrücke sammelt Götz Eisenberg oft dort, wo das Grauen am auffälligsten zutage tritt: an der ›Coolness‹ unserer Sprache, die Zeugnis ablegt von einem befriedeten, glatten Alltag, dessen etwaige Dellen und Rostbeulen sogleich von allgegenwärtigen »Ingenieuren der Seele« (Joseph Stalin) eingeebnet werden. Von WOLF SENFF 

Zur rechten Zeit

Gesellschaft | Thilo Bode: TTIP. Die Freihandelslüge Zum ›Transatlantic Trade and Investment Partnership‹ TTIP gibt es zuallererst anzumerken, dass es auf einer bislang nicht da gewesenen Verflechtung von Wirtschaft und Politik beruht. Das Wort »Filz« ist aus der Mode gekommen, doch an den Realitäten hat sich nichts geändert, wir befinden uns mitten in einem Staatsstreich der Konzerne, der durch die Regelungen des TTIP auf ein unverrückbares Fundament gestellt werden soll. Von WOLF SENFF