Comic | Stephen Desberg (Text) / Alain Quereix (Zeichnungen): Miss October Bd. I und II
Ein Serienmörder, der seine Opfer Playmate-gleich inszeniert und L.A.-Cops mit Dreck am Stecken, grafisch transportiert auf den Spuren der Pin-Up-Ästhetik: Die ersten beiden ›Miss October‹-Bände machen Lust auf’s Finale. Von CHRISTIAN NEUBERT
Los Angeles zu Beginn der Sechziger Jahre: Ein Psychopath hat es auf junge hübsche Frauen abgesehen. Er ermordet sie, vergewaltigt sie anschließend – und lässt der Polizei daraufhin Fotos von ihnen zukommen. Fotos, die die Leichname der Frauen aufgebahrt im Pin Up- bzw. Playmate-Stil zeigen, versehen mit den Stichworten »Miss Januar«, gefolgt von »Miss Februar«. Da geht auch dem kleinsten Licht im Kriminalbeamtenbüroleuchter auf: Hier ist ein Serienmörder am Werk. Ein Psychopath auf mörderischer Mission.
Selbst für das Polizeidezernat der kalifornischen Metropole ist das kein Pappenstiel, weswegen man mit dem alternden Lieutenant Clegg den besten Mann auf den Fall ansetzt. Nicht jeder hält dies aber für eine gute Lösung. Cop Ariel Samson möchte an seiner Karriere feilen und neidet seinem Kollegen den Fall, weswegen die Ermittlungen durch Hindernisse aus den eigenen Reihen erschwert werden. Und dann ist da noch diese Einbruchserie, die parallel zu den Morden stattfindet. Und, ach ja, eine Frau namens Lynn Scott, die nur knapp dem Anschlag eines Vergewaltigers entgehen konnte, dabei allerdings ihr Gehör verloren hat. Sie traut der Polizei nicht besonders, weswegen sie auf eigene Faust eine Detektivin auf den Fall ansetzt. Es ist viel los in L.A.
California Feeling im frankobelgischen Stil
Diese Zutaten liefern die Grundsteine für ›Miss October‹, einer dreibändigen Neo-Noir-Comicreihe im frankobelgischen Stil. Die ersten beiden Bände sind inzwischen beim Schreiber & Leser-Imprint ›Alles Gute‹ erschienen – und machen Lust auf das bevorstehende Finale. Während die Erzählung im ersten Band noch etwas wirr und sprunghaft ausfällt, laufen im zweiten Band die nach und nach ausgelegten Handlungsfäden schließlich zusammen. Das mündet in einer immer spannender werdenden Story, deren Protagonisten allesamt Dreck am Stecken und ihre persönlichen Leichen im Keller liegen haben.
Autor Stephen Desberg bemüht zwar schon jene Klischees, die den geneigten Leser zum 60er Jahre-California-Crime-Setting einfallen: Der abgehalfterte Cop, die betrogene Ehefrau, das Mädel an der Hand von dem mit Geld in der Tasche. Aufgrund des von Alain Quereix schön festgehaltenen Lokalkolorits inklusive markiger Kerlen mit Hüten, schönen Straßenkreuzern und noch schöneren Frauen ist dies jedoch zu vernachlässigen: Der Gesamteindruck ist stimmig und macht auch das Spiel mit austauschbaren Erzählelementen schnell vergessen – zumal austauschbar bei ›Miss October‹ keinesfalls mit beliebig gleichgesetzt werden kann.
Spannung in Serie
Es ist vielleicht noch zu erwähnen, dass die Panels eventuell mehr Action und Dynamik versprühen würden, wenn die Figuren nicht fast durchgehend, auch in Gesprächen, mit geschlossenen Mündern dargestellt wären. Dies als artistischen Mangel herauszustellen würde aber zu weit führen: Miss October schaut gut aus in seinen klaren Linien und seiner zwar reichen, aber im Geiste des Crime Noir zurückhaltend wirkenden Farbpalette. Der dritte Band bleibt also durchaus mit Spannung zu erwarten.
Titelangaben
Stephen Desberg (Text) / Alain Quereix (Zeichnungen): Miss October Bd. I und II
Hamburg: Schreiber & Leser 2014
Je 48 Seiten. Je 14,95 Euro.
Reinschauen
| Stephen Desberg bei Wikipedia
| Leseprobe Band I
| Leseprobe Band II