Comic | Naoki Urasawa / Takashi Nagasaki (Co-Szenarist): Billy Bat, Vol. 1 + 2.
Die Frage, ob das Schicksal der Menschen von einer höheren Macht gelenkt wird, ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Jetzt erzählt Naoki Urasawa von einer sprechenden Fledermaus, die schon seit Urzeiten das Weltgeschehen manipuliert. STEFANIE HÄB hat sich den Übeltäter angesehen und findet: Das hätte schief gehen können. Ist es aber nicht.
Vor allem in Japan ist Naoki Urasawa für seine kniffligen Thriller berühmt, die sich als Seinen-Manga vorrangig an ältere Leser richten. Mit Billy Bat hat Carlsen Manga jetzt nach Urasawas Monster und 20th Century Boys, die in Deutschland eher mäßig erfolgreich waren, eine neue vielversprechende Serie ins Programm aufgenommen, die als raffinierter Mysterymanga daherkommt. Die Geschichte fängt an im Jahr 1949 und zwar mit Kevin Yamagata, einem amerikanischen Comic-Zeichner japanischer Abstammung, der mit seiner Serie über die Detektiv-Fledermaus Billy Bat gerade einen Hit gelandet hat. Umso mehr trifft ihn deshalb der Schlag, als er auf eine japanische Mangafigur hingewiesen wird, die seinem Billy zum Verwechseln ähnlich sieht. Und weil Kevin sich nicht nachsagen lassen will, er habe die Idee geklaut, macht er sich kurzerhand auf die Suche nach dem Urheber der Figur, um die Sache zu klären. Doch kaum in Japan angekommen, gerät er auch schon in ein konfuses Geflecht aus unerklärlichen Ereignissen, die alle auf seltsame Weise mit einer uralten Fledermauskarikatur in Verbindung zu stehen scheinen.
Mord und Fledermaus
Der verwirrende Plot des ersten Bandes würde wohl manchen ungeduldigen Leser die Flinte ins Korn werfen lassen, verstünde es Urasawa nicht so prächtig, die Handlung vom Nullpunkt aus kunstvoll um den ahnungslosen Protagonisten herum zu spinnen. Zu keinem Zeitpunkt ist man schlauer als Kevin, der, kaum dass er seine Recherchen begonnen hat, schon mitten in ungeklärten Mordfällen und verstörenden Fledermausträumen steckt. Schließlich will man dem verwirrten Zeichner, der die besten Absichten hatte und dann von den Ereignissen so schonungslos überrollt wurde, auf die Schulter klopfen und sagen: Geht mir auch so. Man kann bestenfalls ahnen, wo die verschiedenen Handlungsfetzen ihren gemeinsamen Ursprung haben, aber genau das macht die Geschichte so fesselnd.
Kevin, der für einen Hauptcharakter zu Beginn doch eher farblos erscheint, gewinnt durch die Reihe von Extremsituationen, in die er geworfen wird, mehr und mehr an Tiefe. Wir haben es hier jedenfalls nicht mit dem typischen Helden zu tun, der gleichmütig über den Dingen schwebt, sondern mit einem, der schon mal die Nerven verliert, wenn er seinen toten Kameraden zu den Bahngleisen schleppen muss, um seine Ermordung zu vertuschen. Als Leser bekommt man so eine Identifikationsfigur an die Seite gestellt, die zumindest dafür sorgt, dass man sich in diesem Wirrwarr nicht ganz so verloren fühlt.
In all dem finsteren Tumult gibt es zum Glück jemanden, der die Stimmung ein bisschen auflockert: Billy Bat, der Kevin mit seinem unverändert selbstgefälligen Grinsen in Träumen und Halluzinationen heimsucht und mit dubiosen Instruktionen zu manipulieren versucht. Auch wenn er aussieht wie eine sympathische Mischung aus Mickey Maus und Batman – man will ihm nicht recht trauen, schon allein, weil die im klassischen Disneystil gezeichnete Figur in der ansonsten bemerkenswert realistisch dargestellten Rahmenhandlung wie ein Fremdkörper wirkt.
Organisiertes Chaos
Nach dieser relativ schonenden Einführung in die große Verwirrung um die Fledermaus besteht der zweite Band hauptsächlich aus einer episodenhaften Reise durch verschiedene Zeitalter. Brüten wir am Anfang noch zusammen mit Kevin über dem prophetischen Manuskript eines Fledermausmangas, finden wir uns im nächsten Moment etwa zweitausend Jahre in der Vergangenheit wieder, wo der kleine Judas die drolligen Fledermäuse, die ihm erscheinen, für ein Zeichen Gottes hält. Dass man dem Autoren dieses dreiste Arrangement überhaupt durchgehen lässt, liegt an dem souveränen Zeichenstil, der nicht auf schnöde Lacher ausgelegt ist, sondern mit der für Urasawa typischen Ernsthaftigkeit ein in sich stimmiges Szenario präsentiert und den Leser in seinen Bann zieht.
Dann ein Szenenwechsel: Ende der 50er Jahre hat den nachdenklichen Comic-Detektiv Billy Bat das gleiche Schicksal ereilt wie viele seiner Kollegen: Er ist zu einer dauerlachenden Allerweltsfigur mit Merchandising und Vergnügungspark geworden. Und noch ein Szenenwechsel: japanisches Mittelalter, Ninjas. Und kaum hat man das Gefühl, sich dem Geheimnis zu nähern, endet der zweite Band mit einem unerhörten Cliffhanger.
Obwohl Urasawa sich einen Spaß daraus zu machen scheint, dem Leser einzelne Puzzleteile hinzuwerfen, die weder zeitlich noch räumlich zusammenpassen, bleibt die Geschichte doch weitestgehend übersichtlich. Und weil man mit jedem Stück aus dem bunten Repertoire der Weltgeschichte meint, dem Ursprung der Fledermausmisere ein bisschen näher zu kommen, gerät man am Ende selbst in heilloses Rätselraten.
Billy Bat überzeugt sowohl durch eine Story, die mit vielen Überraschungsmomenten gespickt ist, als auch durch die filmische Erzählweise, die dem Geschehen eine eindringliche Intensität verleiht. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich diese anspruchsvolle Serie inmitten eines Programms, das hauptsächlich auf die Unterhaltung einer jüngeren Leserschaft ausgerichtet ist, behaupten kann und nicht wie die bisherigen Urasawa-Serien in den deutschen Mangaregalen übersehen wird.
| STEFANIE HÄB
Titelangaben
Naoki Urasawa (Text und Zeichnungen)/ Takashi Nagasaki (Text): Billy Bat (Billy Bat). Aus dem Japanischen von Yvonne Gerstheimer.
Hamburg: Carlsen Verlag 2012.
Band 1: 198 Seiten, Band 2: 214 Seiten, je 8,95 Euro
Reinschauen
Billy Bat Band 1 – Auf der Webseite des Carlsen-Verlags
Billy Bat Band 2 – Auf der Webseite des Carlsen-Verlags