Musik | Lambchop: FLOTUS
»In the end I just really wanted to make a record that my wife would like,« verbreitet Kurt Wagner über seine aktuelle CD ›FLOTUS‹. Jedenfalls hat der 58-jährige Wagner, immerhin so was wie Musikergenius mit Lambchop, diese Veröffentlichung seiner Frau Mary gewidmet. Die Songs sind ein facettenreiches, komplexes Themenspektrum. Von TINA KAROLINA STAUNER
Und auch Mary Mancini ist nicht nur ein Privatthema, sondern sie ist politisch aktiv in der ›Democratic Party of Tennessee‹. Kurt Wagner aber bezeichnet sich als Künstler, der sich nicht explizit politisch betätigt und äußert. Der Mann, der einmal Handwerker war, avancierte zum Musiker. Die Wagners leben in Nashville.
›FLOTUS‹, das sind die Anfangsbuchstaben für ›First Lady of the United States‹. Kurt Wagners Frau Mary ist das allerdings nicht. Und es taucht für die FLOTUS-Buchstaben auch der Satz auf: »For Love Often Turns Us Still«.
Natürlich hat Kurt Wagners sonore, warme Stimme auch bei den FLOTUS-Aufnahmen Gewicht. Aber diesmal wird dafür gesampelt, gefiltert und reprocessed. Es wird mit Autotune und Vocoder gearbeitet. »…I went to see Shabazz Palaces at Third Man Records one night and one of the singers had this little black box on a mic. stand and he was using it to process his voice during their live set. Sounded crazy and great. I got one and within 3 months wrote this record entirely with it using only my voice processed and looped and drum programing…«, teilte er über die FLOTUS-Phase mit.
Das Bandkollektiv ist bekannt für Country-Soul, gehört zu Americana und reicherte diesen immer wieder mit seinen der Band ureigenen Jazz-, Folk-, Soul- und Rockelementen an. Und kannte man Lambchops Sound geprägt von Gitarre, Klavier, Schlagzeug, so wird man bei FLOTUS auch mit Computersoundbastelei. Beatbox und Drum-Machine konfrontiert. Dafür hat Wagner zusätzlich noch ein Projekt namens HeCTA.
Lambchops FLOTUS ist Tradition und Innovation in harmonischer Stimmung. Traum und Realität in vertrautem Miteinander. In der Bandgemeinschaft können manchmal zwar zahlreiche Musiker sein, auch ein Streicher-Ensemble, aber meist klingt das Ganze eher minimalistisch. Diesmal ist das Klangbild »a direct response to the hip hop sound I’d harbored as a passive part of my music consumption«, lässt Wagner wissen. Mitmusiker waren Tony Crow, Matt Glassmeyer, Scott Martin, Ryan Noris, Matt Swanson, Alicia Bognanno und an der Produktion beteiligt war Jeremy Ferguson und Sean R. Badum. Lambchop wirken auch mit den FLOTUS-Experimenten soulful wie immer. Aber Mary Mancini soll Kurt Wagners Stimme bevorzugen, wie sie schon immer ist. »… it turns out she loves me for who I am«, freut er sich.
Lambchops Discography lässt sich mindestens bis 1994 zurückverfolgen. Man erinnere sich nur mal an 2002 und die idyllischen Melodien von ›The New Cobweb Summer‹ und ›Is A Woman‹. Aber bei Kurt Wagner ist Schönes, Idylle und Pathos manchmal unglücklich nah an Bitterem und Bösen und schrecklichen Realismusfragmenten. Seine Melodien können abyssisch sein, wie alles auf Bühnen und in Medien. Diesen Sommer sind Lambchop live auf Bühnen in Deutschland auch mit ›For Love Often Turns Us Still‹.
Titelangaben
Lambchop: ›Flotus‹
(City Slang /Merge, 2016)