»Man erreicht mehr mit einem freundlichen Wort und einer Pistole als mit einem freundlichen Wort allein (A.C.) – Gerade aus der sicheren Distanz heraus betrachtet, kann Verbrechen faszinieren, wie der Band ›Gangster. Die Bosse von Chicago‹« zeigt. Von ANNE GÖHRING und OLAF SELG
Sagenumwoben und vielfache Filmfigur, weiß aber doch wohl kaum jemand, welche Fakten hinter dem Aufstieg und Fall des bekanntesten Gangsters seiner Zeit, Al Capone, stehen. Robert Nippoldt legt nun ein Buch vor, das es nicht nur den Ästheten unter den Krimilesern und Filmfans leicht macht, sich Basiswissen anzueignen.
Der Autor hat Rechtswissenschaft und Grafik-Design studiert. Aus dieser wohl eher seltenen Ausbildungskombination resultiert, dass er u.a. als Gerichtszeichner tätig ist. Mit den Gangstern von Chicago – in der Zeit der Prohibition in den USA der 20er Jahre – findet Nippoldt eine Thematik, in der er all seine Tätigkeitsbereiche, gepaart mit dem Spaß an der Sache, zu einem unterhaltsamen Band verarbeitet hat.
Ursprünglich wohl als Diplomarbeit geplant, wird die Arbeit nun in seinem ganzen Detailreichtum und seiner illustrativen Phantasie als ebenso informatives wie optisch gelungenes Buch herausgegeben.
Nippoldt geht das damalige Geflecht der Unterwelt systematisch an, zeigt in einer Art Familienalbum die Verbindungen insbesondere der irisch- und italienischstämmigen Gangstersippen auf.
Eine geschichtliche Einleitung führt den Leser in die zeitlichen Umstände ein, in der den Amerikanern mit dem Verbot des Alkoholkonsums eine »große Freiheit« genommen wurde. In dieses Vakuum stießen die Gangsterbanden und konnten innerhalb kürzester Zeit durch den Alkoholschmuggel rasant wachsen.
In dem vorliegenden Band erhält jeder Gangsterboss ein eigenes Kapitel mit Spitznamen und einer Art »Steckbrief«, mit skizziertem Konterfei und Angaben zu seinen Missetaten, Gefängnisjahren und seinen Morden – sowie (i.d.R.) seiner eigenen Ermordung. Hinzu kommen Stadtskizzen und Zeichnungen zu berühmt-berüchtigten Verbrechen; Nippoldt lässt also viel Raum für kunstvoll ausgemalte, schaurige Details.
Der Autor versteht es, die umfangreichen, z.T. vor Ort recherchierten Details prägnant und zugleich grafisch witzig darzustellen. So durchbricht Nippoldt den Text z.B. immer wieder spielerisch mit gezeichneten Miniaturen oder wird in einer USA-Karte der »Verstöße gegen die Prohibition« zwar keine konkrete Zahl pro Bundesstaat genannt, gleichwohl lassen sich diese aber an der repräsentativen Größe der Bier trinkenden Figur ablesen.
| ANNE GÖHRING / OLAF SELG
Titelangaben
Robert Nippoldt: Gangster. Die Bosse von Chicago
Hildesheim: Gerstenberg Verlag 2005
44 Seiten, 39,90 Euro