Schulen des Terrors

Gesellschaft | Franz Albert Heinen: NS-Ordensburgen

Die Geschichte der sogenannten »Ordensburgen« des NS-Regimes in Sonthofen im Allgäu, Vogelsang in der Nordeifel nahe Gmünd und Krössinsee in Pommern war bisher ebenso fragmentarisch erforscht wie legendenumrankt. Heinen hat nun eine umfassende, penible und reich illustrierte Monographie über diese drei Orte monumentaler NS-Architektur und nationalsozialistischer Ideologievermittlung vorgelegt und damit eine Lücke geschlossen. Von MANFRED WIENINGER

NS-Burgen Foto: Franz Albert Heinen
NS-Burgen
Foto: Franz Albert Heinen
Bei der durchaus spannenden Lektüre erschließt sich nicht nur die Bau- und Betriebsgeschichte während des sogenannten »Dritten Reiches«, sondern der Autor folgte auch den Karrieren von Absolventen der Ordensburgen, welche diese teilweise bis in die braunen Terror- und Vernichtungsapparate in den eroberten Ostgebieten geführt hat. Derart interessant und seriös aufbereitete Regionalgeschichte wie Heinens vorliegendes Werk gehört für mich mit zum Spannendsten, was ich mir zwischen Buchdeckeln vorstellen kann. Darüber hinaus kann das Buch auch ganz abseits vom Regionalen beträchtliche Relevanz beanspruchen.

Todessehnsucht und Vernichtungswahn

Die strikte Ablehnung von Wissen, aber auch von Herzensbildung, von Rationalität, Kompetenz und Verstand, von Ethik und Logik zugunsten wirrer biologistischer Theorien, zugunsten von Rassenhass, Todessehnsucht und Vernichtungswahn, zugunsten von militärischem Drill und sinnlos harter Körperertüchtigung war in den nationalsozialistischen Schulungseinrichtungen der »Ordensburgen« Programm.

Das letzte Kapitel widmet sich informativ der Nachkriegsgeschichte der baulichen Überreste der einstigen NS-Ordensburgen und liefert damit auch einen Beitrag zur Diskussion, wie heutzutage mit derartigen Fragmenten brauner Terror- und Infra-Struktur umzugehen ist.

| MANFRED WIENINGER

Titelangaben
Franz Albert Heinen: NS-Ordensburgen. Vogelsang, Sonthofen, Krössinsee
Berlin: Ch. Links 2011
216 Seiten, 34,90 Euro

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Die bayrische Seele

Nächster Artikel

Ungewaschene Götter auf dem Nerd-Olymp

Weitere Artikel der Kategorie »Gesellschaft«

Weltverbessern aus dem Stand

Gesellschaft | Susanne Garsoffsky, Britta Sembach: Die ›Alles ist möglich‹-Lüge Das Leben könnte so schön sein, wenn … Das ist der klassische Seufzer derjenigen, die, von plötzlichen Befindlichkeitsstörungen angefallen, für einen Moment die real existierenden Bedingungen des real existierenden Alltags betrachten und vor lauter Schreck beschließen, die Welt zu verbessern. Aus dem Stand. Weil sich sonst nichts ändert. Darauf hat die Welt gewartet. Gut, dass sie einiges gewöhnt ist, die Welt. Von MAGALI HEISSLER

Im Brennpunkt: Putin

Gesellschaft | K.Gloger: Putins Welt / M.Sygar: Endspiel. Die Metamorphosen des Wladimir Putin / W. Laqueur: Putinismus. Wohin treibt Russland? / H.Seipel: Putin. Innenansichten der Macht Das ist so eine Sache mit dem Bild, das der Westen sich vom russischen Staatspräsidenten zurechtlegt. Niemand kennt ihn persönlich, aber jeder weiß, um was es geht, alle reden mit und alle reden reichlich, Katja Gloger, Redakteurin beim ›Stern‹, durfte ihn eine Zeitlang begleiten. Von WOLF SENFF

Perspektiven gegen die Misere

Gesellschaft | Andrea Ypsilanti: Und morgen regieren wir uns selbst Kaum jemand wirft zurzeit neidische Blicke auf die Sozialdemokraten, und welche politische Partei möchte schon mit ihnen tauschen. Mit Gerhard Schröder wurde seinerzeit der Abbau sozialstaatlicher Leistungen eingeleitet, wurden einer neoliberalen Politik die Wege geebnet. Das liegt den Sozialdemokraten heute bleischwer im Nacken, und sie krebsen und kämpfen, um sich da loszueisen. Von WOLF SENFF

Öffentliche Debatte! Bitte!

Gesellschaft | Geraldine Edel: Ideologie der Technologie Die Materie ist vielschichtig, und jeder tut sich schwer, den ökonomischen und gesellschaftlichen Beitrag der Internettechnologie einzuschätzen. Gewinn? Für wen? Für unsere heißgeliebten Teenies, die ihre Smartphones gern aus dem Säckel der Eltern begleichen und ihre Wochenenden in den ›sozialen‹ Medien verpulvern? Von WOLF SENFF

Was die Welt nicht braucht

Gesellschaft | Renée Schroeder: Von Menschen, Zellen und Waschmaschinen Überbevölkerung, Überproduktion, Konsumrausch, Konkurrenzdenken, digitale und religiöse Demenz, Krankheiten durch Falschernährung, der Welt geht es schlecht. Das konstatiert zumindest die österreichische Biochemikerin und Zellbiologin Renée Schroeder in ihrem neuen Buch Von Menschen, Zellen und Waschmaschinen. Eine Anstiftung zur Rettung der Welt und serviert gleich die wahre Lösung für alle Probleme. Die allerdings ist eine, die die Welt bestimmt nicht braucht, meint MAGALI HEISSLER.