Digitales | Games: WWE ’12
Da ist er, der neue Titel für die WWE-Reihe von THQ. Aus ›WWE Smackdown vs Raw‹ wird schlicht und einfach ›WWE ’12‹. Ein kompletter Neustart der Serie ist es keinesfalls – dieser war aber auch nicht notwendig. Änderungen gibt es aber an einigen Teilen des Spiels dennoch. NORMAN VOLKMANN hat sich die Spandexhosen übergezogen, die Ellenbogenschoner angelegt und sich mit einem großen Elbow Drop auf WWE ’12 gestürzt.
Reality Check
Wrestling hat es als Sport nicht ganz einfach. Als »richtige« Sportart will man das Spektakel, wenn man kein Fan ist, sowieso nur ungern ansehen. »Das ist doch eh alles gestellt«, hört man es da aus einer Ecke rufen – dennoch werden hier nur die besten Champions. »Die wissen doch, wie zu fallen haben«, sagt der Nächste. Klar, haben Wrestler eine spezielle Technik – Menschen sind sie trotzdem und da tut es weh, wenn man auf den Rücken fällt.
Gerade jetzt, in einer Zeit in der UFC weltweit immer mehr an Bekannt- und Beliebtheit zunimmt, ist Wrestling noch verlachter als in den vorherigen Jahrzenten. Und das, obwohl die Charaktere der 80er und 90er Jahre zum Großteil wirken, als kämen sie direkt aus einem (schlechten) Comic. Böse Zahnärzte, Cowboys, Dämonen und natürlich auch immer wieder mal der infiltrierende Russe – doch die Fans lieben genau das an der WWE. Dadurch, dass das Kayfabe zu dieser Zeit noch nicht gebrochen wurde, waren alle Akteure mysteriös und wirklich »larger than life«. Es wurde einfach angenommen, dass sie nicht nur eine Rolle spielten, sondern schon irgendwie „echt“ waren.
Heutzutage lechzt man mehr nach Realität, man will die Personen hinter den Gimmicks kennenlernen und durch Twitter und Co. ist es leichter genau das zu erreichen. Im Umkehrschluss ist es aber auch so viel schwieriger, Überraschungen, Ankündigungen oder Ähnliches lang genug geheim zu halten. Den »Zauber« der letzten zwei Jahrzehnte auch heute noch zu spüren bekommen ist um einiges schwerer. Da ist natürlich der Sport selbst nur teilweise für verantwortlich, aber eine entsprechende Adaption hat leider noch nicht stattgefunden – denn genau so kurzlebig wie die Trends im Internet werden auch die Fehden der Wrestling-Superstars – dabei ist doch die spannende Storyline der wichtigste Bestandteil (außer für die Technikpuristen, versteht sich) einer Show.
Eins steht, trotz aller Kritik, fest: Wrestling ist ein Sport, der nur durch die Leidenschaft der Akteure leben kann. Die Wrestler der WWE sind im Jahr jede Woche mindestens 4-Mal in unterschiedlichen Städten auf der ganzen Welt zu Gast, um dort Groß und Klein zu unterhalten. Fliegen, fahren, trainieren – Wrestler zu sein ist ein Knochenjob ohne Offseason. THQ würdigt seit über 10 Jahren jedes Jahr diese Leidenschaft und schafft es auch Jahr um Jahr neue Aspekte in das Spiel zu bringen, die sich für Fans lohnen.
Dieses Jahr ließ vor allem der neue Name aufhorchen und suggerierte Veränderung. So vereinfachte (böse Zungen würden an dieser Stelle von verschlimmbessern sprechen) man zum Beispiel die Steuerung. Durch eine fehlende physische Anleitung kommt man aber während der ersten Kämpfe ordentlich ins Straucheln. Ich habe das letzte Mal den 2010er-Teil der Reihe gespielt und konnte im ersten Match vielleicht 4 Aktionen landen, bevor ich unangespitzt in den Boden gerammt wurde.
Besonders entmutigend ist dabei vor allem das Abwehr- und Reversal-System. Während der Gegner viele Griffe recht einfach abwehrt, fällt mir das Drücken der Taste im richtigen Moment sehr schwer – der Zeitrahmen ist einfach zu knapp bemessen, weshalb sich anfangs recht schnell Frust breitmacht.
Nach Anpassung der Schwierigkeit sowie den Reversal-Raten (ähnlich den Sliders der NBA 2k-Serie) spielt es sich dann schon etwas angenehmer und die Stärken der neuen Spielmechanik werden deutlich. Dynamischer ist es geworden – Gegner stehen schneller auf, Aktionen können an vielen Stellen abgebrochen oder abgewehrt werden und durch das Comeback-System können auch nahezu verloren geglaubte Matches noch einmal rumgerissen werden. Das hohe Tempo spiegelt nicht unbedingt die Realität wieder, in der Gegner nach einem krachenden Suplex schon mal ein wenig länger liegen bleiben, für ein Videospiel ergibt es aber durchaus Sinn.
Selbst ist der Spieler
Was die Serie Jahr für Jahr auszeichnet, sind allerdings die Freiheiten, die man als Spieler hat. Natürlich ist das Erstellen des eigenen Superstars eine Sache, die es schon seit über 10 Jahren gibt – die Vielfalt, mit der man seinen Charakter aber bauen kann, wird jedes Jahr auf’s neue ausgebaut. Fast 3 Stunden habe ich gebraucht, um meinen Star zu erschaffen. Dabei habe ich das exklusive Moveset gerade einmal zur Hälfte gefüllt, vom Einmarsch ganz zu schweigen. Trotz des aktuellen und vollgepackten Rosters, muss ich bei den fehlenden Stars nicht erst auf einen DLC warten. Chris Jericho, Jeff Hardy oder Hollywood Hulk Hogan können nahezu originalgetreu nachgebaut werden.
Alles ist editierbar: ich kann mir Hallen erschaffen, die an die WCW-Arenen der 90er erinnern oder ein Einmarsch-Video von den Highlights meines Superstars erstellen. Ist man nicht mit den vorgefertigten Geschichten des »Road-to-Wrestlemania«-Modus zufrieden, kann man seine eigene Geschichte zusammenbasteln und über zahlreiche Shows ziehen. Im endlosen WWE Universe Modus kann ich dann Kontrolle über den Superstar meiner Wahl übernehmen, in Matches eingreifen, Fehden aufbauen und mich auf die Jagd nach den illustren Titeln der Promotion machen.
Es ist beeindruckend, was die Leute von Yuke’s jedes Jahr auf die Beine stellen. Der Hauptaspekt wird immer mehr auf die Kreativität und Interaktion der Fans gesetzt. Es ist, als würden die Entwickler mir einen Baukasten eines Wrestlingspiels gegeben. So toll das auch ist, teilweise fühle ich mich erdrückt von all den Möglichkeiten und Details. Auch die Frustmomente aufgrund der Steuerung bleiben eine Weile und hinterlassen einen faden Nachgeschmack. Insgesamt kann das Spiel den geneigten Wrestlingfan wohl über Monate unterhalten – das dynamische Gameplay ermöglicht zudem abwechslungsreiche Matches, die Langeweile gar nicht erst zulassen.