Digitales | Games: Titanfall 2
Vom Himmel fallende stählerne Einweg-Kampfmaschinen – bewaffnet mit großen Wummen. Was wie der schweißgebadete Alptraum eines Pazifisten klingt, ist die Quintessenz des Shooters ›Titanfall 2‹. Völlig losgelöst vom Pfandsystem hat sich FLORIAN RUSTEBERG in die Materialschlacht ohne ökologisches Gewissen gestürzt.
Im Spätherbst brennt die Luft! Nicht draußen, wo das Laub sich verfärbt und zu Boden gleitet, sondern auf dem heimischen Fernsehgerät, auf dem bei der früh einbrechenden Dunkelheit gleich drei große Mehrspieler Shooter um die Gunst der Kunden ringen. Steht dabei Battlefield 1 durch sein Augenmerk auf großflächige, historische Kriegsführung etwas abseits, so stehen die beiden Science-Fiction Shooter ›Call of Duty: Infinite Warfare‹ und ›Titanfall 2‹ auf den ersten Blick beieinander.
Spielerisch kein Wunder, wurde doch Respawn Entertainment von den ehemaligen Erschaffern der ›Call of Duty‹-Serie aus der Taufe gehoben. So fühlten sich Spieler schon 2014 bei der Handhabung des ursprünglichen ›Titanfall‹ daran erinnert, allerdings mit mehr Geschwindigkeit, Wandläufen und natürlich den Titanen, die dem Spiel ihre ganz eigene Dynamik geben. Machtverhältnisse ändern sich, in ihren Stahlkolossen haben die Piloten die Oberhand, büßen aber Beweglichkeit ein. In Sachen Bewegung hat Activisions ›Call of Duty‹ die letzten Jahre nachgezogen und bietet nun auch Jetpacks und Zukunftsszenarien, einen klaren Machtwechsel aber nicht. Die erste Titanenkeilerei litt trotz guter Kritiken an einer schrumpfenden Spielerzahl und den hohen Erwartungen. Genug Fehler gab es also, um sie in einem Nachfolger auszubügeln.
Of Mice Machines and Men
Beim Vorgänger schmerzlich vermisst, enthält ›Titanfall 2‹ nun eine vollwertige Einzelspieler-Kampagne. Dabei wird lose an die Charaktere und Ereignisse des ersten Teiles angeknüpft, in dem die Geschichte beinahe beiläufig durch Audio- und Videoeinspieler während der Mehrspieler-Partien präsentiert wurde. Mehr als ein Grundgerüst brauchte es aber nicht zum Verständnis des Sci-Fi Szenarios. Die rebellische »Miliz« kämpft um die Freiheit des sogenannten »Grenzlandes«, eines abgelegenen Teils der Galaxis. Der tyrannische Gegner ist die »IMC«, ein militärisch organisiertes Großunternehmen, das die Vorherrschaft über diese Region beansprucht. Alles in allem genretypische Verhältnisse.
Den Fortgang dieses Konfliktes erlebt der Spieler nun aus der Sicht des einfachen Schützen Jack Cooper, der durch Zufall zum Piloten eines Titans aufsteigt. Mit diesem Kampfroboter, der auf den Namen BT-7274 hört und eine eigene Intelligenz besitzt, an seiner Seite muss er nun die Mission des gefallenen Piloten fortsetzen. Erst mit der Zeit lernen sich Mensch und Maschine kennen und entwickeln eine Beziehung, garniert mit vielen unterhaltsamen, sprachlichen Missverständnissen, wenn BTs künstliche Intelligenz Redewendungen und Sprichworte falsch deutet.
Inhaltlich ist dieses dynamische Duo jedoch schon das Sahnestück. Die Geschichte ist uninspiriert und fade und bietet keine neuen Ideen. Interaktion ist nicht vorhanden, denn außer mit seinem Metall-Freund spricht Cooper nie ein Wort. Immerhin werden dem Spieler dabei zwei Alternativen geboten, auch wenn keine davon einen Einfluss auf den Verlauf der Handlung oder des Spieles haben.
Aus der spielerischen Perspektive ist ein gutes Mischungsverhältnis entstanden, das aber nur knapp vier bis sechs Stunden andauert. Grob lässt sich die Zeit der Kampagne dritteln: in den Kampf als Infanterist, den Kampf im Titan und Passagen, wo die Bewegungsfähigkeiten des Piloten zu Fuß getestet werden. Dabei sind den Entwicklern einige gute, sogenannte »Setpieces« gelungen, also einzelne Szenerien. Dazu zählt bspw. die Durchquerung einer Fabrik, die Segmente einer Stadtkulisse herstellt, auf eben solch einem Segment.
Später gibt es die Möglichkeit zwischen zwei Zeitebenen eines Gebäudes zu wechseln, ein häufiger Wechsel zwischen neuem Zustand und verfallender Ruine ist unabdingbar. Der restliche Einzelspielermodus wirkt oft wie ein überlanges Tutorial. Nach und nach können alle vorhandenen Titanen-Profile ausprobiert werden; und ebenso, wie sie gekontert werden, jeweils im Boss-Kampf gegen klischeehafte Söldner-Bösewichte und ihren Titan. Alles in allem ist die Einzelspieler-Kampagne eine nette Dreingabe, aber sollte nicht für mehr als eine Einstimmung auf den Rest des Spieles gesehen werden.
Team-Machine
Den Hauptteil bildet nämlich der Mehrspielermodus. Hier treten bis zu 16 Spieler auf mittelgroßen Karten an. »Respawn« hat Altbewährtes übernommen und an vielen Details geschraubt. In den meisten Modi starten die Spieler also nach wie vor auf Schusters Rappen und müssen sich den namensgebenden ›Titanfall‹ erst erarbeiten. Im Gegensatz zum Vorgänger, wo eine ablaufende Zeit durch gutes Spielen nur etwas verkürzt wurde, heißt es nun wirklich rackern, um die Bereit-zum-Abwurf-Anzeige auf 100% zu bekommen. Gänzlich neu ist ein Bonus, der sich schon vorher bei einer gewissen Prozentzahl aktivieren lässt und dem Spieler etwa bessere Waffen, einen Geschützturm oder spinnenartige Minen gewährt.
Am wertvollsten sind die Aktionen, mit denen auf das Spielziel hingearbeitet wird. So zählt es wenig, einen feindlichen Piloten auszuschalten, wenn das Einnehmen von Punkten spielentscheidend ist. ›Titanfall 2‹ bietet viele bekannte Modi, neuartig ist nur »Bounty Hunt«, ein Spielmodus, in dem es ein Kopfgeld für neutrale Kräfte auf der Karte gibt. In den Pausen, bevor ein neues Kopfgeld auftaucht, müssen die erspielten Einnahmen bei zwei Tresoren deponiert werden. Wer es nicht unbeschadet bis dahin schafft, verliert die Hälfte seiner Einnahmen. Die wechselnden Anforderungen in dieser Kopfgeldjagd bringen frischen Wind in den sonst monotonen Ablauf eines schnellen Mehrspieler-Shooters.
Viel Frische sollte es auch bei der Ausgestaltung der eigenen Spielfigur geben, denn nun steht, wie bei der Konkurrenz schon lange etabliert, eine große Auswahl an Farben, Mustern und Tarnungen für Pilot, Titan und die Waffen zur Verfügung. Deren Erspielen steht in manchen Fällen ein langer Weg bevor, der die Spieler auch langfristig bei der Stange halten soll. Für diese Langzeitmotivation kann man auch darauf hoffen, dass neue kooperative Spielmodi nachgereicht werden.
Der Skopus in ›Titanfall 2‹ ist, genau wie vorher schon, der schlagartige Wechsel zwischen den Rollen. Sind die Karten zu Beginn noch das Gebiet aller Spieler, geht die Gebietskontrolle im späteren Verlauf auf die überdimensionalen Metall-Kämpfer über. Dann lautet die Devise: verstecken in Gebäuden und attackieren aus dem Hinterhalt. Der Titan hat nämlich an Offensive gewonnen, jedoch klaffen in der Verteidigung große Lücken. So gibt es jetzt nur noch eine Energieleiste, im ersten Teil verfügte jede Kampfmaschine hingegen zusätzlich über ein wiederaufladendes Schild. Auch kleine Nadelstiche summieren sich nun ohne Schild zu einem größeren Schaden.
Im Vergleich zum Vorgänger läuft auch das Rodeo anders. Piloten, die auf den Titan gestiegen sind, konnten eine Klappe öffnen und direkt in die Elektronik ballern. Die Ingenieure haben mitgedacht und nun statt leicht angreifbarer Wartungsklappen eine Batterie zum Stibitzen installiert. Glückwunsch dazu. Die Batterie ist für das Spiel ein spannender Kniff, denn nach dem Diebstahl kann sie in den eigenen oder befreundeten Titan eingesetzte werden und diesem neue Energie spenden. Vertraut sind Ebbe und Flut der Spannung, wenn sich die Anzahl der Kampfmaschinen erhöht und bei einem Aufeinandertreffen für den Moment wieder dezimiert. Zusammen bilden Alt und Neu eine attraktive Mischung.
Attraktiv soll auch das Vermarktungsmodell von ›Titanfall 2‹ sein. Für den Preis des Spieles sind alle weiteren wichtigen Updates und Erweiterungen enthalten, nur für manche kosmetischen Besonderheiten kann der Kunde zusätzliches Geld ausgeben. Erschienen ist ein Update Ende November, das Kleinigkeiten verbessert und eine altbekannte Karte in Teil 2 einbaut. Leider macht diese Karte deutlich, dass das hohe Qualitätsniveau der Mehrspielerarenen nicht ganz an das des Vorgängers heranreicht.
Den Softwareunterbau bildet ebenso eine stark modifizierte »Source«-Engine, mit der ›Half Life 2‹ im Jahr 2004 erschienen ist. Aus dieser wird auch der letzte Tropfen herausgedrückt, optisch bietet sich ein solider Eindruck, der flüssig mit konstanten 60 Bildern die Sekunde wiedergegeben wird. Die Audio-Untermalung lässt keine Wünsche offen.
Fazit
Das Gleichnis von »Zwergen auf den Schultern von Riesen« wird ›Titanfall 2‹ im Grunde nicht gerecht. Ausgehend von einem guten ersten Spiel hat Respawn konsequent weitergedacht und einen Mehrspieler-Shooter geschaffen, der sich in diesem Herbst vor der Konkurrenz nicht verstecken muss. Im Gegenteil, sogar stahlhärtere Aktion bietet. Abstriche gibt es allerdings im Cockpit des schlappen Einzelspielermodus, und auch dafür, dass sich die Entwickler manches aus den Massengeschmack-Schießereien abgeguckt haben.
Um das Gleichnis dem Spiel anzupassen, muss es heißen: »Piloten, die auf einem Titanen Rodeo reiten und seine Batterie klauen, von ihm abspringen und ihn wenige Momente später von ihrem eigenen Titanenabwurf zerschmettern lassen, wenn sie nicht vorher selber von einer Stahlfaust zerdrückt werden.« So simpel.
Titelangaben
Titanfall 2
Respawn Entertainment, Electronic Arts
erhältlich für PC Origin, PS4 Xbox One.
ab 59,99 Euro UVP.