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Mit Ekkehard Mais grundlegender Schrift über die deutschen Kunstakademien im Gepäck hat sich NICO KIRCHBERGER aufgemacht, Die Düsseldorfer Malerschule und ihre internationale Ausstrahlung 1819-1918 unter die Lupe zu nehmen.

die-deutschen-kunstakademien-im-19jahrhundertDie Bedeutung und Geschichte der akademischen Künstlerausbildung im 19. Jahrhundert aufzuarbeiten, ist beileibe keine Arbeit auf bestelltem Feld. So ist die Arbeit Ekkehard Mais kein in kurzer Zeit hingeworfenes Auftragswerk sondern das Produkt jahrzehntelanger Studien von, einem ausgewiesenen Fachmann für die Kunst des 19. Jahrhunderts.

Die Auseinandersetzung mit den Akademien, deren Struktur und Lehre, liefert die Grundlagen für ein Verständnis des Secessionismus und der Avantgarden um 1900. »Mit und in der Institution Kunstakademie vollzieht sich schließlich eines der großen, wenn nicht das umfassendste Kapitel der jüngeren Kunstgeschichte«, so Mai. Der Stilpluralismus mit seinen »Ismen« fand in der offiziellen Kunst der Akademie sein gemeinsames »Feindbild« und gleichsam seinen Ausgangspunkt. Diese selbst wurde bislang jedoch unverhältnismäßig schlechter erforscht als jene Avantgardebewegungen, die sich von ihr lossagten. Zwar gibt es mittlerweile einige Monographien über einzelne prägende Künstler oder einzelne Akademien, eine umfassende Gesamtdarstellung, wie sie Mai hier unternimmt, hat es bislang in dieser Qualität nicht gegeben.

Seine knapp 500 Seiten starke Arbeit beginnt Mai mit einem (kritischen) Blick auf die Situation der Kunstakademien im 20. Jahrhundert, um dann in die »Gründerzeit der deutschen Kunstakademien« einzutauchen. Diese liegt im absolutistischen 18. Jahrhundert. Nach französischem Vorbild sollten Akademien auch an deutschen Fürstenhöfen der Ruhm- und Prachterfaltung ihres Regenten dienen. Das Ende des »ancien régime« und der Klassizismus brachten zwar Umstrukturierungen mit sich, doch erlebte das Akademiewesen gerade in dieser Zeit eine Hochphase.

Nicht nur für die deutsche Kunstgeschichte bedeutend, war jene Bewegung, die sich 1809 in Wien als »Lukasbund« gründete. Diese heute allgemein als »Nazarener« bekannten Künstler kann man durchaus als die ersten Secessionisten bezeichnen. Sie traten gegen die akademische Ausbildung zu Beginn des 19. Jahrhunderts und deren klassizistische Kunst von empfindungsleerer »Körperschönheit« an. Avantgardistisch mit einer von der herrschenden Norm abweichenden Kunstvorstellung formierte man sich fernab der Heimat in Rom.

Außenseiter waren sie damals, doch nur wenige Jahrzehnte später besetzten Protagonisten ihrer Bewegung in den großen Zentren der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts führende Positionen. So Peter Cornelius in Düsseldorf, München und Berlin, weiter Wilhelm Schadow (Düsseldorf), Julius Schnorr von Carolsfeld (München) und Philipp Veit (Frankfurter Städelschule). An den hier genannten Orten befanden sich auch die wichtigsten deutschen Kunstakademien im 19. Jahrhundert. Die weitere Entwicklung zeigt, wie sich die »Altavantgardisten« nun selbst Sezessionsbewegungen gegenüber sahen, die mit dem von ihnen vermittelten Kunstverständnis nicht mehr konform gingen.

Grundlagenforschung

Mai geht chronologisch vor und versucht die Entwicklungen an den einzelnen Akademien miteinander zu vergleichen. Dabei blickt er notwendigerweise immer wieder auf ausländische Kunstzentren wie Rom, Paris oder Brüssel, um die Lage an den deutschen Instituten in die gesamteuropäische Entwicklung einzubetten.

Der Autor arbeitet verschiedene prägende Persönlichkeiten heraus, etwa den Berliner Akademiedirektor Anton von Werner, dessen strikt konservatives Kunstverständnis ganz im Sinne Kaiser Wilhelms II. war und den Gipfel der gründerzeitlichen Akademiekunst – der Salonmalerei – markierte, die spätestens in den 1890er Jahren ihren Zenit überschritten hatte.

Auch die Stürme zur Jahrhundertwende sollte die Institution der Kunstakademien überstehen. Wenngleich ihre Zentren nicht dieselben blieben. So verloren München und Düsseldorf an Bedeutung, dafür gründeten sich neue »Reformmodelle«, als deren berühmtestes das Bauhaus zu gelten hat. Mit diesem (Aus-)Blick schließt Mai seine verdienstvolle Arbeit, die in Zukunft sicherlich zu weiterführenden Forschungen die Grundlage bilden wird.

Ekkehard Mai ist speziell ein ausgewiesener Kenner der Düsseldorfer Akademie. Bereits 1979 steuerte er einen umfassenden Essay zur Ausstellung Die Düsseldorfer Malerschule bei. Diese Schau vor über dreißig Jahren deckt sich, was das Bildmaterial anbelangt, größtenteils mit der aktuellen im Museum Kunstpalast. Doch gleich vorweg: Dies ist kein Schaden oder Grund zur Ärgernis. Das liegt einerseits am zeitlichen Abstand und der eindrucksvollen Präsentation der Werke, andererseits an der Ausrichtung auf die internationale Ausstrahlung der Düsseldorfer Malerschule. Obwohl man hier natürlich entgegnen könnte, dass bereits 1976 unter dem Titel The Hudson and the Rhine. Die amerikanische Malerkolonie in Düsseldorf präsentiert und bearbeitet wurde. Doch diese Schau reicht darüber hinaus, legt mit Exponaten von Paul Delaroche, Louis Gallait oder Ary Scheffer auch Einflüsse offen, die von außen auf die Düsseldorfer Akademie wirkten. Diesen Punkt hätte man durchaus stärker heraus arbeiten können. Man beschränkt sich hier jedoch hauptsächlich auf die Phase vor 1850. Tendenzen der Moderne, etwa zum Impressionismus, werden nur in einem Essay Nicole Roths behandelt.

Kulturtransfer zwischen Düsseldorf und dem Ausland

Düsseldorfer MalerschuleZu der Ausstellung ist kein herkömmlicher Katalog erschienen, sondern ein Essayband und zusätzlich ein zweiter Band, der die Exponate der Ausstellung präsentiert. Summa summarum hat der Besucher knapp 1000 Seiten, die er da aus dem Museum nach Hause schleppen muss! Es empfiehlt sich, dies dem Paketboten zu überlassen.

Zum Inhalt: Dem Kulturtransfer zwischen Düsseldorf und dem Ausland sind zehn der insgesamt 28 Beiträge gewidmet. Besonders interessant, weil nicht alltäglich, sind vor allem die »Exoten« Norwegen und Estland. Auch die Malerei in Rußland und Amerika im 19. Jahrhundert wird selten in unseren Graden debattiert. Unerlässlich ist die Diskussion der Auseinandersetzung mit der französischen aber auch belgischen Malerei.

Auch die innerdeutschen Beziehungen der Düsseldorfer zu München, Frankfurt oder Dresden werden thematisiert, so etwa im Essay Frank Büttners, der neben Mai ebenfalls schon im Katalog von 1979 vertreten war.

Neben der Internationalität Düsseldorfs werden in mehreren Aufsätzen auch ganz spezifische Merkmale der Malerschule herausgearbeitet. Der religiösen Malerei des Schadow-Kreises, allen voran der Ausmalung des romantischen Gesamtkunstwerks der Apollinariskirche in Remagen, einem Projekt, das damals internationale Beachtung erfuhr, sind aufschlussreiche Untersuchungen von Cordula Grewe und der Herausgeberin und Kuratorin der Ausstellung, Bettina Baumgärtel, gewidmet.

Dazwischen eingestreut finden sich einige weitere Essays etwa zur lithographischen Verbreitung und der malerischen Auseinandersetzung mit der Photographie, sowie ein – bedauerlicherweise etwas kurz geratener – Essay zu Satire und Karikatur im Kreis der Düsseldorfer Akademie.

Optische Abstriche muss man bei dem Layout des Anhangs, der »Chronik der Düsseldorfer Malerschule« und dem »Verzeichnis ausländischer Künstler an der Akademie« machen, das ziemlich altbacken in tabellarischer Form einer schlichten Word-Tabelle daherkommt und vom sonst sehr gefälligen Erscheinungsbild der Publikation deutlich abfällt.

Im zweiten Band finden sich die Katalognummern, die nicht nach den Herkunftsländern geordnet sind, sondern thematisch. Das hat den Vorteil, dass Wiederholungen aus dem Essayband größtenteils vermieden werden. Die Katalognummern sind prägnant und sorgfältig erfasst.

Ein Problem, das sich durch die thematische Gliederung ergibt und das im Endeffekt nicht ausreichend kommentiert wird, ist die kunsthistorische Entwicklung innerhalb der einzelnen Kategorien. So findet sich etwa in der ersten Sektion unter den »Atelierszenen« Romantisch-Biedermeierliches und gründerzeitliche Salonmalerei nebeneinander. Nur in »Vom Nazarenismus bis zum Naturalismus« und »Von der Romantik zum Semi-Realismus« (Baumgärtel) wird dies ansatzweise thematisiert.

Etwas irritierend sind die zwei Sektionen »Armeleute und Totenmalerei« (allein schon aufgrund des Titels) sowie »Kunst und Leben – Die novellistisch-humoristische Genremalerei«. Hier wie dort findet man Darstellungen der harten Arbeit, des einfachen Lebens und alltäglichen Sterbens.

Abschließend noch eine kleine – ganz marginale – Bitte des Autors. Bei dem Bilderreichtum der Düsseldorfer Malschule sollte es doch möglich sein, nicht immer wieder auf die – unbestritten sehr illustrative – Atelierszene von Johann Peter Hasenclever als Covermotiv zurückgreifen zu müssen. Es ziert Mais Monographie, den Essayband der Ausstellung sowie schon den zweiten Band des Lexikons der Düsseldorfer Malschule.

| NICO KIRCHBERGER

Titelangaben
Ekkehard Mai, Die deutschen Kunstakademien im 19. Jahrhundert
Künstlerausbildung zwischen Tradition und Avantgarde
Köln u.a.: Böhlau-Verlag 2010
59,90 Euro

Bettina Baumgärtel (Hrsg.), Die Düsseldorfer Malerschule und ihre internationale Ausstrahlung 1819 – 1918, 2. Bände
Petersberg: Michael Imhof Verlag 2011
69,00 Euro

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