Der Count und sein Arrangeur

Musik | Basie plays Hefti

Es geht ihnen ähnlich wie den Drehbuchautoren beim Film: Man kennt ihre Werke, aber ihre Namen kennt man nicht. Sie stehen anonym im Schatten der Realisateure. Im Kino sind das die Regisseure. Wir kennen Berüchtigt, Liebling, ich werde jünger, Extrablatt als Filme von Alfred Hitchcock, Howard Hawks, Billy Wilder, aber wer weiß schon, dass sie und zahllose andere Filme auf einem Buch von Ben Hecht basieren? Im Jazz sind es die Arrangeure, die nur Experten ein Begriff sind. Dabei spielen sie, insbesondere bei Big Bands, im Swing und darüber hinaus, eine entscheidende Rolle. Von THOMAS ROTHSCHILD

Basie plays HeftiDasselbe Stück kann, in einem faden Arrangement, belanglos, in einem guten Arrangement jedoch aufregend klingen. Oft ist das Arrangement wichtiger als das musikalische Material. Manchmal sind die Bandleader zugleich die Arrangeure. Aber es gab in der Jazzgeschichte eine Reihe von genialen Arrangeuren, die als Musiker keine zentrale Rolle spielten. Dazu gehört Neal Hefti, der Partner von Count Basie. Den kennt man. Und wer kennt Neal Hefti? Als Trompeter wäre er eine Fußnote in der Geschichte des Jazz. Als Arrangeur war er ein Gigant, in einem Atem zu nennen mit Billy Strayhorn, Nelson Riddle, Sy Oliver, Gil Evans oder Quincy Jones.

1958 nahm Count Basie mit seinem Orchester eine LP auf, die ausschließlich von Neil Hefti komponierte und arrangierte Titel enthielt. Nun liegt eine CD vor, bei der die Zahl der Bonus Tracks die Zahl der »eigentlichen« Titel übertrifft: Neben den elf Stücken aus Basie plays Hefti von 1958 findet man hier fast sämtliche Aufnahmen Basies von Kompositionen aus der Feder und im Arrangement Heftis, außer jenen, die auf der LP The Atomic Mr. Basie von 1957 enthalten waren. Es sind 13 Titel, aufgenommen zwischen 1952 und 1957.

Charakteristisch für Neal Heftis Arrangements sind die kurzen, spitzen Interpellationen der Blechbläser. Sie kontrastieren in ihrem Fortissimo oft mit den leiseren Saxophon-Sätzen. Die Rhythmusgruppe und Count Basie selbst am Klavier treten meist in den Hintergrund und lassen Basies unverwechselbare Schlusswendung umso markanter auffallen. Die Soli der Bläser, unter ihnen der Trompeter Thad Jones, selbst ein bedeutender Arrangeur, sind kurz, viel Raum wird ihnen vom kollektiven Spiel nicht gewährt. Die Kompositionen folgen der einfachen Liedform, seltener dem zwölftaktigen Blues-Schema, ein Motiv reicht als Material aus. Man vernimmt das Echo des Rock’n’roll, mit dessen sensationellem Aufstieg der Jazz in den fünfziger Jahren konkurrieren musste.

| THOMAS ROTHSCHILD

Titelangaben
Basie plays Hefti (Phönix)

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

When the woods are black as night, that is the boogeymans delight

Nächster Artikel

Noch einmal Grubinger

Weitere Artikel der Kategorie »Platte«

Von Afrobeat bis Liebeslied

Musik | Toms Plattencheck Der aus Frankreich stammende wahlberliner Produzent David Letellier hat als Kangding Ray bereits diverse Alben bzw. EPs auf raster-noton veröffentlicht. Seine Musik könnte man als experimentellen Techno im weitesten Sinne beschreiben. Sie treibt einen aber weniger Richtung profane Entertainment-Spaßtempel der großstädtischen Nacht, als vielmehr in die sphärischen Weiten am Rande unserer Vorstellungskraft. Von TOM ASAM

Die Hoffnung rennt

Musik | John Frusciante: Curtains Das 2005 entstandene Album ›Curtains‹ von John Frusciante ruft eine Menge tiefe Emotionen hervor. Sowohl bei ihm selbst als auch beim Zuhörer. Ein kurzes Meisterwerk, das Tränen fließen lässt, ebenfalls auf beiden Seiten. MARC HOINKIS erinnert sich.

Der böse Busch

Hörbuch | Wilhelm Busch: Der Schmetterling

Wer sich in seiner Kindheit stets gewundert hat, warum Max und Moritz – nebenbei bemerkt auf durchaus brutale Art und Weise – sterben müssen, der kann nun in diesem wunderbaren Hörbuch die andere Seite Wilhelm Buschs, einen gebrochenen spätbiedermeierlichen Radikalmoralisten mit einem gewissen Hang zur psychischen und physischen Brutalität, in ihrer vollen Blüte kennenlernen. Von SEBASTIAN KARNATZ

Free Jazz, Free Space & Impro: Led Bib

Musik | Prog-Jazz und -Rock Part II. Led Bib: Umbrella Weather »In general, very little is written…« (Led Bib). Led Bib’s ›Umbrella Weather‹ – Jazzexkursionen von Schönklang bis Missklang. Von TINA KAROLINA STAUNER