Comics | Steam Noir, Band 2: Das Kupferherz
Wenn man länger als fünfzehn Minuten damit verbringt, über ein cleveres Wortspiel mit Dampf nachzudenken, sollte man sich innerlich kurz ohrfeigen. PETER KLEMENT klatscht sich eine und berichtet über den zweiten Band der ›Steam Noir‹-Reihe, der vieles neu und vieles richtig macht und dadurch seinen individuellen Charme im Vergleich zum ersten Band noch verstärkt.
Das Steam Noir-Universum basiert auf dem Rollenspielsystem Opus Anima. Das System beschreibt eine Welt irgendwo zwischen Lovecraft, Frankenstein und Charles Dickens. Doch die Lokalitäten entsprechen nicht dem viktorianischen London, sondern sind eine Mischung aus deutschen und österreichischen Orten: Die Scholle Landsberg beherbergt das Königreich Januskoogen, in dem die Stadt Schierling mit dem Stadtviertel Brombach ist. Namen wie Mechanicsburg gibt es hier – bisher – nicht.
Am Haken
Über einen ersten Band zu schreiben ist immer eine knifflige Angelegenheit, umso leichter fällt es dann beim zweiten. Der zweite Teil von Das Kupferherz beginnt mit einem Sprung in die Zukunft und zeigt uns den Bizarromanten Lerchenwald in der Rüstung der übellaunigen Krieger des kalendarischen Ordens. Lerchenwald fordert den undurchsichtigen Chirurgen Presteau auf, das Titel gebende Kupferherz preiszugeben. Kurz darauf folgt der Sprung zurück in die Geschehnisse, die im Verlauf des Bandes zu dieser Szene führen werden. Man kann regelrecht fühlen, wie die eigene Neugier nach dem Haken schnappt.
Aber keine Angst, es ist völlig unbedenklich, denn Steam Noir gibt in diesem zweiten Band Vollda…gas, sowohl im Plot, der durch Verena Klinke weitergeführt wird, als auch in der künstlerischen Darstellung, die durch den Jakob Eirich einige interessante neue Aspekte gewinnt. Vor allem ein Rückblick, der die Geschichte der wandernden Seelen näher beleuchtet, ist sehr clever gelöst: Er wird in im Stil eines Schattentheaters gezeigt und bekommt so eine doppelte Rahmung, einmal auf der erzählerischen Ebene und einmal auf der künstlerischen. Die schon im ersten Band unkonventionelle Panelgestaltung erfährt so eine tolle Steigerung und macht Neugier auf Band Drei.
Genese
Im Gegensatz zu amerikanischen Produktionen, die ab dem ersten Band wie aus einem Guss sind, mehrstufiger Qualitätskontrolle sei Dank, ist Steam Noir eine Reihe, der wir beim Wachsen zusehen können. Während der erste Band eine heitere Gelassenheit ausstrahlt, ist der zweite schon deutlich finsterer und näher am ›Noir‹ des Titels. Das äußert sich nicht nur dadurch, dass der Plot in Fahrt kommt, sondern auch in diversen kleinen Veränderungen in der grafischen Gestaltung: Die Masken der Soldaten des kalendarischen Ordens wurden schmaler und bedrohlicher und mehrere Figuren, wie Frau D. und die Tochter des Chirurgen Manuela, wechseln von Seite zu Seite leicht das Aussehen. Es macht Spaß, die kleinen Veränderungen zu finden und so einem Universum beim Wachsen zuzusehen.
Ach ja… Mode!
Eine nette kleine Überraschung wartet am Ende des Bandes auf Fans der Mode der Jahrhundertwende: Die Kleidungsstücke der Protagonisten wurden von der Berliner Modedesignerin Sammy the Scissors entworfen. Ein bemerkenswerter Schritt der Macher von Steam Noir. Eventuell darf man sich auf dem nächsten Comic-Salon in Erlangen ja auf die ersten Cosplayer freuen. Steam Noir ist eine Reihe, die uns in Zukunft hoffentlich weiterhin so positiv überraschen wird, wie es dieser starke zweite Band tut. Cross Cult beweist kontinuierlich ausgezeichnetes Gespür für Graphic Novels und viel Herzblut bei der Umsetzung der Stoffe. »Chapeau!« kann man da nur sagen. Es bleibt spannend für Freunde des Steampunk.
Titelangaben
Verena Klinke (Text) / Felix Mertikat (Text, Zeichnungen) / Jakob Eirich (Zeichnungen): Steam Noir, Band 2: Das Kupferherz
Ludwigsburg: Cross Cult 2012
64 Seiten, 16,80 Euro
Reinschauen
| Homepage des Comics
| Interview mit Zeichner Felix Mertikat in TITEL kulturmagazin