Neulich, im September (II)

Musik | Toms Plattencheck

Musiker und Produzent Niklas Worgt und seine singende Model-Partnerin Eva Padberg melden sich zum vierten Mal mit einem Album unter dem Banner Dapayk & Padberg zu Wort. Stark inspiriert wurde Smoke von einem Schottlandaufenthalt. Nieselregenwetter und Kaminstimmung machten nicht nur Lust auf Rauchwaren und Whisky, sondern scheinen auch für eine weitere Abkehr von Minimal-Sounds und Dancefloor-Orientierung mit sich gebracht zu haben. Smoke bringt mehr songwriterhafte Intimität ins Spiel, arbeitet mit klassischen Streichern, eingängigen Pop- und gefühlvollen Post-Dubstep-Momenten. Dabei gelingt es, den Tracks genau die richtige Stimmung einzuhauchen, um sie zu Dauerbrennern im nebligen Herbst zu machen. Sehr schön!

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Als italienisches Pop-Projekt auf sich aufmerksam zu machen, dürfte schwer genug sein; ob der einfallslose Name M+A es leichter macht, scheint fraglich. Vorteil der knappen Bezeichnung: Es bleibt mehr vom farbenfrohen Cover sichtbar. Aber das hier ist nicht bloß ein Hingucker, es lohnt auch, M+A seine Ohren zu leihen. Die beiden Jungspunde Michele Ducci und Alessandro Degli Angioli versuchen sich keinem Genre zurechnen zu lassen, verbinden aber am ehesten euphorischen Pop mit einladenden Vocals a la Phoenix mit Oldschool- Dance-Grooves und einer Brise Blue Eyed Funk. These Days ist ein sonnenhungriges Chamäleon von einem Album mit Gutelaune-Garantie. Eingängige Hooks, pulsierende Beats und String/ E-Piano-Soundgirlanden sorgen für entspanntes Grinsen und beschwingtes Kopfnicken.

zoller

Von retroverliebten Musikern der Gegenwart zurück zum Brot der frühen Tage, so ein Titel der Kollektion bisher unveröffentlichter Soundtrackaufnahmen des großartigen, aber etwas übersehenen, ungarischen Jazz Gitarristen Attila Zoller (1927-1988). Die zwischen 1962 und 1967 entstandenen Aufnahmen entstammen Arthouse-Filmen von Hansjürgen Pohland (neben dem erwähnten Brot der frühen Tage: Katz und Maus und Tamara).
Zoller ging mit Anfang 20 nach Wien, bevor er 1954 nach Deutschland weiterzog, wo er unter anderem mit Emil Mangelsdorff, Kenny Clarke oder Lee Konitz arbeitete. 1959 ging er in die USA, wo er unter anderem mit Jim Hall und Ornette Coleman studierte und mit »freierem« Jazz in Berührung kam. Es folgte der Aufstieg in die internationale Jazzszene an der Seite von Größen wie Herbie Hancock, Stan Getz oder Sonny Rollins.
Die Musik zu Pohlands Filmen entstand vorwiegend in Improvisation direkt vor der Leinwand. Die Aufnahmen gerieten in Vergessenheit und landeten zuletzt fast im Sperrmüll; ihre Rettung ist dem Berliner Fotografen, Schauspieler und Jazzliebhaber Jan George zu verdanken.
Warum etwa Pat Metheney Zoller als einen seiner Helden bezeichnet, lässt sich auf den einfühlsamen Jazzsoundtracks vortrefflich nachhören. »Kein anderer Musiker hat der deutschen Jazz-Szene so viel Seele- nicht im Sinne von schwarzem, amerikanischem Soul, sondern im Sinne europäischer Romantik – gegeben wie der Ungar Attila Zoller«, schrieb Joachim Ernst Berendt einst, der übrigens von Zollers Musik von Katz und Maus damals so begeistert war, dass er die Aufnahmen 1966 mit amerikanischen Sidemen (u.a. Ron Carter am Bass) wiederholen ließ. Sie erschienen 1967 unter dem (irreführenden) Namen Attila Zoller – original Filmmusik Katz und Maus. Die wahren Originale sind eine tolle Wiederentdeckung, denen – Gerüchten zufolge – bald ein Tribute-Album folgen könnte.

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Die Compilation Welcome to the robots widmet sich den Ursprüngen elektronischer Clubmusik der frühen 80er Jahre. Volume I der Serie widmete sich den »Electro-Pioneers«, Produktionen eher unbekannt gebliebener Underground-Künstler, die oft ausschließlich für DJs erhältlich waren. Volume II würdigt nun Vertreter der Genres Synthie Pop und New Romantic – wobei man es mit starren Genre-Grenzen bewusst nicht all zu eng nimmt. Darunter viele sehr bekannte Namen wie Yazoo, Visage, A flock of Seagulls oder Human League. Die Doppel-CD kommt im Nonstop-DJ-Mix daher und bietet zum Teil unbekanntere, von den Album-Versionen abweichende – teils rare – Club-Remixe. Wer also Talk Talks Such a shame im Dub Mix oder Frankie goes to Hollywoods Two Tribes im Hibakush-ah!Mix hören will, liegt hier richtig. Da gerade die Synthie-Pop Originale in der derzeitigen Popmusik massiven Niederschlag finden, dürften viele jüngere Hörer neugierig auf die Vorbilder neuer Acts von Austra bis Hurts sein. Denen seien aber zunächst die kanonischen Alben von Human League und OMD empfohlen, die man flugs streamen kann, aber auch in CD- oder Vinyl-Form zu Flohmarktpreisen bekommt.

| TOM ASAM

Titelangaben
Dapayk & Padberg: Smoke – Mo´s ferry / Word and Sound
M+A: these Days – Monotreme / Cargo
Attila Zoller: Jazz Soundtracks – Sonorama Records / Grooveattack
Welcome to the robots Volume II – Embassy of music / Warner/ Zebralution

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