Roman | Dorian Steinhoff: Das Licht der Flammen auf unseren Gesichtern
»Kaffirlimonenblätter, Turmericwurzeln, Galgant, Koriander, Minze, süßes Thai-Basilikum und Zitronengras.« – Dorian Steinhoffs sieben Erzählungen seines gerade erschienenen Erzählbandes stellen eine ebenso bunte Gewürzmischung vor wie die des kambodschanischen Gerichtes namens Hähnchen-Amok, das in »Wasser«, der zweiten der sieben Geschichten, in einer Kokosschale serviert wird. Von VERENA MEIS
Dass das Gericht einem letzten Abendmahl nicht unähnlich ist, zumindest für Michi, den »DJ-Boy«, ahnt noch während des Verzehrs niemand. Eine Urlaubsreise zum »Mushroom Point« (Diesen Ort gibt es wirklich! Googlen Sie ihn!), die ganz leichtfüßig und unbeschwert mit einer geschnorrten Zigarette beginnt, nimmt einen lebensgefährlichen Ausgang: »Hallo Meer, wir kommen, wir kommen.« – die kundgetane Vorfreude auf Wasser wird zum traurigen Nekrolog. Ein fehlendes Rückflugticket deutet zuvor schon vage an, dass Michi am »Otres Beach« bleiben wird…
Statt modriger Pilze ist es »Salz auf tauber Zunge«, das Dorian Steinhoffs Erzählungen hinterlassen: Er findet Worte, wo keine sind, erfindet für jede seiner Figuren eine ganz eigene Sprache. Jede seiner Geschichten endet mit einer enorm mächtigen Szene, einer nachklingenden Geste. Da weckt ein tragischer Vorfall plötzlichen Erfindergeist oder elf nicht aufzufindende Schokolinsen halten heimtückisch die Erinnerung an eine kriminelle Vergangenheit wach. Auf die Frage, worum es in »Das Licht der Flammen auf unseren Gesichtern« – erschienen im mairisch Verlag – geht, antwortet Dorian Steinhoff kess: um »Wildschweine, Sex, Drogen, Gewalt, Tod, Liebe und Freundschaft. […] alles, was gute Geschichten so brauchen.«
Dabei lässt das Potpourri an genannten Handlungskomponenten an die von Dorian Steinhoff selbst so geschätzten US-amerikanischen drama series denken. Seine Hauptdarsteller sind keine an Krebs erkrankten Chemielehrer, sondern undurchsichtige Nachwuchsschauspieler, kriminelle Fußballprofis, gestrandete Disc Jockeys oder verliebte halbwüchsige Autisten; Frau Dinklage, Dr. Swizzle, Panzer-Malte oder Pauline ihre Wegbegleiter und -begleiterinnen, an denen sie »gesunden« oder aber erkranken. Die Milieus, die Dorian Steinhoff zeichnet, sind von ebenso ambivalenter Natur: Sie erscheinen auf den ersten Blick idyllisch, unbeschwert, hoffnungsvoll und zugleich bitter, ungerecht und leicht verdorben. Seine Hauptfiguren sind nichtsdestotrotz immer darauf bedacht, sich zu arrangieren, sich einzurichten, auch wenn sie insgeheim wissen, dass auch der neu aufgetragene Lack schon Risse aufweist.
Der rote Faden, der alle sieben Erzählungen geschickt miteinander verstrickt, ist der Umstand der Komplizenschaft, die die durchweg jungen männlichen Protagonisten miteinander eingehen: mit Ansgar, der sich ganz spitzbübisch in die Wohngemeinschaft drängt, obwohl Nico gar nicht will, dass er einzieht. Mit Bülent, auch wenn die Freundschaft zu ihm nur auf einem fehlenden »t« in »Tit(t)en« gründet. Mit der Ärztin – obwohl ungewollter Natur –, da nicht nur ihre, sondern auch Jans Hände »zwei kalten Schaufeln« ähneln. »Auf unseren Gesichtern züngelte sich das Licht der Flammen« heißt es in »Wasser«, der titelgebenden Erzählung. Was nach Lagerfeueridylle riecht, kann zugleich Fratzenhaftes offenbaren, was nach exotischen Gewürzen schmeckt, ungenießbar werden.
Zwei knappe Fragen, die Dorian Steinhoff selbst an Texte stellt: »Ist es gut erzählt? Und: Berührt es mich?« Dies muss mit einem JA in Großbuchstaben für seinen Erzählband Das Licht der Flammen auf unseren Gesichtern vermerkt werden, dessen einzelne Erzählungen ein ähnliches Suchtpotential wie die besagten US-amerikanischen drama series entwickeln. So gibt Ihnen der Autor laut eigener Aussage bei der nächsten Lesung neben Fragen zu seinem neuen Buch auch sehr gerne preis, wie ihm das Ende von Breaking Bad gefallen hat. Fragen Sie ihn! Zum Beispiel am 30. Oktober 2013 im Literaturhaus in Kiel.
| VERENA MEIS
Titelangaben
Dorian Steinhoff: Das Licht der Flammen auf unseren Gesichtern
Hamburg: Mairisch Verlag 2013
168 Seiten, 16,90 Euro
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