Film | TV: TATORT – Fette Hoppe (MDR), 26.12.
Man sitzt davor und überlegt noch, ob man lachen soll. Trockene Dialoge. Das um einen Bruchteil hinausgeschobene Zögern, bevor geredet wird. Schräge Figuren. »Die Frau strahlt so eine unbestimmte Zugänglichkeit aus – was sicher manchen Mann moralisch erneuern könnte«. Hans Bangen (Wolfgang Bauer) sieht aus wie ein Hans im Glück, der ein Schwein gegen den Erfolg im Casting getauscht hat. Bogdanskis Ohren sind nicht lustig, aber gut sichtbar und originell. Von WOLF SENFF
Frau Hoppe wurde entführt. Sie ist Eigentümerin eines fleischverarbeitenden Betriebs in Weimar, der die Wurst namens Fette Hoppe herstellt, ihr Sohn soll Lösegeld zahlen, fünfundvierzigtausend Euro. Der ungewöhnliche Betrag lenkt den Verdacht auf den Kutscher Bogdanski (Dominique Horwitz), gegen den besagte Frau Hoppe wegen eines Wasserschadens auf 35.000 € Schadensersatz klagt. Bogdanski sagt gern dem Alkohol zu, seine Tochter weiß mit ihm umzugehen. »Im Universum gibt’s keine Zufälle. Da wirken Kräfte, die kann man nicht kontrollieren.« – »Papa?! In deinem Hirn ist immer Urknall.«
Mit Fette Hoppe knüpft der Mitteldeutsche Rundfunk an die Tradition volkstümlichen Erzählens an, zu deren Heimat sich über Jahrzehnte sogar das Berliner Ensemble zählte. Die Reihe TATORT diversifiziert, Fette Hoppe neigt stark zum Volksstück, zum Schwank, zur Burleske (Buch: Murmel Clausen, Andreas Pflüger).
Er hat viel Witz und beginnt mit einer Anspielung auf den comedy-orientierten Münsteraner; neue TATORT-Kommissare treffen immer frisch aus Hamburg ein, nur dass Lessing (Christian Ulmen) kein St.-Pauli-T-shirt trägt und seine hochschwangere Kollegin Kira Dorn (Nora Tschirner) in einem äußerst dramatischen Einsatz aus bedrängter Lage rettet.
Der Witz in Fette Hoppe ist nicht derbe, nicht verletzend wie bei den Münsteranern. Witz und Humor haben es nicht leicht beim Fernsehen. Kommissar Lessing – Oh! Lessing in Weimar! –, vor einer Blutlache stehend, stellt unaufgeregt fest: »Bei dem Blutverlust ist die Überlebenschance sehr gering«. Eine Verfolgung mit Pferdekutsche hat Seltenheitswert. »Ich glaub‘, meine Fruchtblase platzt«, scherzt die Kommissarin. »Verdammte Schauspielerin!«.
»Den Deutschlehrer gebumst, aber wegen Französisch sitzengeblieben.« Peinlich, doch so geht’s manchmal zu. »Mein Tiefpunkt war in der zehnten Klasse: Akne, unkontrollierbare Erektion, und wegen Kurzsichtigkeit vom Sportunterricht ausgeschlossen« – als Mann hat man’s da auch nicht besser. Ist halt Schule.
So viel zum Witz. Dabei fällt zuallererst auf, dass alle Charaktere liebevoll gestaltet sind. Gut, die Frauen zanken. Doch sie giften sich nicht an, sie keifen nicht. Niemand macht Witze auf Kosten anderer. Trotz der Sprüche lassen die Frauen erkennen, daß sie einander durch die gemeinsamen Jahre in der Schule verbunden fühlen.
Den Sohn der Hoppe wird niemand in einen geordneten Produktionsprozess unterbringen. Und so sind sie alle. Weimar ist provinziell gezeichnet, und die Menschen, die uns gezeigt werden, sind einer wie der andere liebenswert und auf eine mehr oder weniger angeschrägte Art bewundernswert lebendig. Nein, keiner von denen hat sich durch die Tretmühlen der Leistungsgesellschaft deformieren lassen.
Ist Fette Hoppe weltfremd? Erzählt Fette Hoppe ein Märchen? Wir sehen einen friedlich gestimmten, weihnachtlichen Kriminalfilm, dem »nur« das vertraute TATORT-Flair fehlt.
| WOLF SENFF
Titelangaben
TATORT: Fette Hoppe (MDR)
Regie: Franziska Meletzky
Ermittler: Christian Ulmen, Nora Tschirner
Do., 26.12., ARD, 20:15 Uhr
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Gregor Keuschnig zu Rüdiger Dingemann: »Tatort«-Lexikon
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