Kulturbuch | Bünger / Berthoud / Elderkin: Die Romantherapie
Die Romantherapie kommt in keiner Heilmittelverordnung vor. Und dennoch kennen Traudl Bünger, Ella Berthoud und Susan Elderkin ein Buch für jedes Zipperlein und jeden Schmerz, sei es Schlaflosigkeit, Schnarchen oder Schluckauf. Auch INGEBORG JAISER ist vom therapeutischen Effekt überzeugt.
Dies ist ein medizinisches Handbuch der etwas anderen Art. Eines, das sich Krankheiten und Missempfindungen jeglicher Ausprägung widmet: seien es körperliche Beschwerden (Heuschnupfen, Hämorrhoiden), psychische Malaisen (Bindungsangst, Klaustrophobie) oder geistige Ausfälle (Gedächtnisverlust, Verwirrung). Sogar für komplizierte Lebenslagen wie »Familie, ohne sie klarkommen müssen« oder »Studium, geschmissenes« ist Abhilfe zu erhoffen. Versprochen wird Linderung, Trost und Unterstützung, zuweilen sogar Heilung – ganz ohne Pillen, Salben und Verbände. Denn die Heilmittel sind nicht rezeptpflichtig und in keiner Apotheke zu bekommen. Selbst der Gang zum Arzt lässt sich ersparen.
Literarische Hausapotheke
Wer hat sich nicht schon mal bei Liebeskummer oder Heimweh in Literatur geflüchtet? Dabei die Welt um sich herum vergessen? Während der Lektüre neue Impulse und angewandte Lebenshilfe erhalten? Bibliotherapie macht sich die Heilkraft des Lesens zu Nutze. Ella Berthoud und Susan Elderkin sind Spezialistinnen dieses Fachs und haben aus ihrer langjährigen Erfahrung ein überaus anregendes und amüsantes Kompendium von »belletristischen Pflästerchen und Umschlägen« für verschiedene Leiden und Lebenslagen zusammengestellt, unterstützt durch Traudl Bünger, die den literarischen Kosmos an die deutsche Leserschaft angepasst hat.
Empfohlen werden Klassiker wie Hermann Hesses Siddharta bei Existenzangst, Karl Mays Winnetou bei Minderwertigkeitskomplexen oder Malcolm McLowrys Unter dem Vulkan bei Alkoholsucht – genauso wie Geheimrezepte: so soll Penelope Fitzgeralds Die blaue Blume bei geistiger Stagnation oder Eowyn Iveys Das Schneemädchen bei übermäßigem Schwitzen helfen.
Buchkäufe, zwanghafte
Als Handbuch eignet sich Die Romantherapie weniger zum Durchlesen am Stück, eher zum gezielten Nachschlagen der alphabetisch aufgelisteten Symptome: von A wie »Abschiede« bis Z wie »Zahnschmerzen«. Einer kurzen, griffigen Inhaltsbeschreibung der jeweils empfohlenen Bücher folgen forsche Ratschläge und geistreiche Aufmunterungen. Angereichert mit genialen Listen für alle denkbaren Lebenslagen: »Die zehn besten Hörbücher um Schnarcher zu übertönen«, »Die zehn besten Romane bei Bluthochdruck« oder »Die zehn besten Trennungsromane.« Selbst Leseleiden scheinen kurierbar zu sein. Auf jeden Fall werden beeindruckende Therapievorschläge für »Buchkäufe, zwanghafte« oder »Science-Fiction, Angst vor« präsentiert.
253 Lektüreempfehlungen birgt diese außergewöhnliche, belletristische Kur. Und mehr noch: sie lädt ein, durch Buchhandlungen zu schlendern, in Bibliotheken zu stöbern oder einfach mal wieder das eigene Bücherregal zu konsultieren. Nebenwirkungen sind fast ausgeschlossen.
| INGEBORG JAISER
Titelangaben
Traudl Bünger, Ella Berthoud, Susan Elderkin: Die Romantherapie. 253 Bücher für ein besseres Leben
(The Novel Cure: An A to Z of Literary Remedies, 2013)
Aus dem Englischen von Katja Bendels und Kirsten Riesselmann
Berlin: Insel 2013
430 Seiten. 20 Euro
Reinschauen
romantherapie.de
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