Musik | Toms Plattencheck
Die Krautrock-Legenden Dieter Moebius (Cluster/ Harmonia) und Mani Neumeier (Guru Guru) nahmen 1996 zusammen mit Jürgen Engler ein Album mit dem Titel Other Places auf. Engler war Ende der 70er Teil von Male gewesen, der wohl ersten (relevanten) deutschsprachigen Punkband überhaupt. Von TOM ASAM
Bekannter ist er jedoch durch die Krupps, welche Anfang der 80er Jahre noch als experimentelle Stahlwerksymphoniker glänzten, später allerdings zu Wegbereitern teutonisch-pathetischen Muskelmaschinenrocks wurden, wie er bis heute international kommerziell bestens funktioniert. Damit hat Other Places freilich nichts am Hut. Dafür tauchen wir ein in eine magische elektronische Welt zwischen Harmonie und Geräuschhaftigkeit, die dunkel aber keinesfalls bedrohlich ist. Synthetische Rhythmussequenzen treffen auf die überragenden Schlagzeug-/ Percussion-Klangwelten von Mani Neumeier. Die neun Stücke sind in Echtzeit eingespielt. Es ist sehr beeindruckend, dass diese zeitlose Musik tatsächlich im improvisierten Zusammenspiel innerhalb von vier Tagen aufgenommen wurde. Besonders schön: Dieses weitgehend übersehene Juwel wird nicht nur wieder aufgelegt – sondern auch fortgeführt!
Moebius Neumeier Engler legen tatsächlich nach 18 Jahren mit Another other places nach. Sie machen da weiter, wo sie aufgehört haben. Was vielleicht nicht unbedingt positiv klingt, gibt es doch genug Beispiele für lieblos aufgewärmte Rezepte. MNE allerdings kümmerten sich weder Mitte der 90er noch heute um Zeitgeist und Trends. Ihr subtil aufeinander eingestimmtes Improvisationsspiel wirkt daher keinesfalls verstaubt, sondern eher zeitlos. Die abstrakten Klangcollagen sind noch etwas feiner verwoben und einen Tick weniger dunkel in der Stimmung. Das Ganze wirkt verspielt und teilweise leicht übermütig. Die ersten drei – der durchgehend mit einem Wort betitelten Stücke – ergeben einen neuen Vorschlag, für was WWW stehen könnte: Watzmann, Wohlauf, Wahnfried. Was sowohl die Stücke von Other places, als auch von Another other places für neugierige Hörer bedeutet, das deutet ein weiterer Titel an: Stimulanz.
Was die filigrane Percussion und den ideenreichen Umgang mit Electronics umgeht, empfiehlt es sich nach MNE gleich mit a.spell weiter zu machen. Bei genauerem Hinhören wird’s einem gar ganz heiß in den Ohren. Hier ist neben der Namensgebung noch so manches interessant. a.spell ist ein Trio, bestehend aus der Schweizerin Nadja Stoller (Gesang und u.a. Akkordeon), ihrem Landsmann Jan Galega Brönnimann (Bassklarinette und Electronics) und dem aus Südafrika stammenden Perkussionisten Ronan Skillen, der mit der Kombination aus einem Hybrid Drum Kid, Gongs, Tabla und einem selbst entwickelten Slyde-Didgeridoo über ein wohl einmaliges Set verfügt. So ungewöhnlich die Perspektive auf den Platz auf dem Cover von Where the strange creatures live ist, so erfrischend ist die Kombination von elektronischen Beats und den kontrastierenden warmen Klängen von Akkordeon und Tablas. Über der gelungenen Fusion aus Sound und Song schwebt engelsgleich die Stimme von Sängerin Nadja. Irgendwo im Niemandsland zwischen Jazz, Weltmusik, Adult Pop und Electro sind diese strange creatures überaus alive! Jetzt schon Anwärter auf einen vorderen Platz der interessantesten Alben des Jahres, welche weder in Verkaufscharts noch in den üblichen Hipster-Rankings aufschlagen werden.
So, genug mit Filigranem und Feinziseliertem. Martin »Gotti« Gotschild und Sven van Thom sind zusammen Tiere streicheln Menschen. Ihre gröbsten Erfolge ist die weltweit erste Actionlesung mit Fäkalgarantie. Denn die unterste Schublade steht hier permanent sperrangelweit offen. Schließlich will man dem eigenen Anspruch, stets »20.000 Meilen unter der Gürtellinie« zu bleiben, gerecht werden. Hier geht es etwa um die Frage, ob die Achselhaare nicht noch länger sind, als das ohnehin stramme Gemächt; und man erfährt, dass großstädtische Northface-Jackenträger irgendwas mit großflächiger Gesichtsbesamung am Hut bzw. an der Jacke äh Backe haben. Dass Filme mit Kamelen und rückwärtsfahrenden Autos knorke sind, dürfte sich unter wahren Cineasten allerdings schon rumgesprochen haben. Und das Schönste: Wenn man sich so langsam wohlzufühlen beginnt in dem ganzen Schmodder, merkt man, dass die Schlingel noch ein zweites Scheibchen in den Pappschuber geschmuggelt haben. Das Lesemusical 5 Füße für ein Halleluja gibt bahnbrechende Einblicke in unterschätzte soziale Phänomene wie Trisodomie und erzählt die ernüchternde Wahrheit über die herzlosen Bewohner Berlins, welche den Ritt in die Metropole für Jack the Feinripper, Gotti und Cowboy Sven zum Tritt in die Familie machen. Wird das Mädchen mit dem Pferdegesicht die Geschichte zum Guten wenden? Da verrät Ihnen Dj Bronco Kottbüllar an dieser Stelle natürlich nicht.
| TOM ASAM
Titelangaben
Moebius Neumeier Engler: Other places / Another other places – beide: Bureau B/ Indigo
a.spell: Where the strange creatures live – Everestrecords/ Broken Silence
Tiere streicheln Menschen: Ihre gröbsten Erfolge –LOOB / Al!ve AG