Film | Im TV. Tatort – 907 Der Hammer (WDR), 13. April
Wir beneiden den Busfahrer um seine Blitzreaktion, absolut, wir fühlen Schmerz mit einem Obdachlosen, sind angefressen von einem 1,6‰-Jugendlichen im 3er-BMW – was so ein Sturz vom Dachgeschoss alles auslöst. Nein, menschenfreundlich geht’s nicht zu, davon kann keine Rede sein. Ein Bauunternehmer wird in seinem Büro mit Säure attackiert, mit einem Hammer erschlagen und durchs Fenster gestürzt, da ist wohl jemand außer Rand und Band und leistet ganze Arbeit. Von WOLF SENFF

Foto: ORF/ARD/Martin Menke.
Lustig wird ganz neu sortiert
Der Mörder hämmert seinen Leichen fein säuberlich ihre Ziffer in den Stirnknochen, bisschen zwanghaft ist das schon, die Zwei gibt’s für den Zuhälter Bruno Vogler. Doch die Eins war bessere Kreise, und das ist erst einmal Grund, zu vermuten, dass sich der ›Hammermörder‹ als Kämpfer für das Gute inszenieren will, für das Gute an sich: pro bono contra malum. Man sieht, die Handlung ist leicht neben der Spur ausgelegt, sie hat eine Affinität zum Absurden, wir sortieren das erfreut unter subtilen Humor, es geht so weiter, denken wir nur an die Szene mit dem Kommissar und den Handschellen.
Der Münsteraner ›TATORT‹ wollte immer lustig sein und parodierte in seinen gelungeneren Folgen die bierernste Krimitradition. Das zog in den vergangenen zwei, drei Jahren immer weniger, der Witz wurde comedy, wurde fad, wurde zotig, vor allem Boerne verramschte sich als plumpe Witzfigur.
Die Ereignisse überstürzen sich
Fader Slapstick ist diesmal drastisch reduziert und nicht spontaner Eingebung überlassen. Frank Zander hat seinen imponierenden Auftritt, unterlegt von Simon & Garfunkel. Vor allem aber fällt die Nähe zum Comic auf, und zwar nicht nur wegen der Hauptfigur, die sich als ein rächender Spiderman/Batman/Hunter inszeniert.
Die Handlung ist flott und ausgefallen, die Ereignisse überstürzen sich. Sie werden sensibel balanciert und geordnet ihrem Ende zugeführt. Das lässt sich so machen und ergibt dann einen Film, an dessen Figuren wir uns kaum erinnern, war aber nett, aufregend auch, man hat’s gesehen und hat sich nicht geärgert.
Jalla! Jalla!
»Mit Gewalt«, sagt Gunnar Roth, »mein‘ ich Bullen kloppen, ich bring‘ doch keinen um!« Jedenfalls wird er verdächtigt und ist sogar vorbestraft. Aus der lokalen Initiative gegen das Großprojekt, die ebenfalls recht plakativ auftritt, lernt der Zuschauer ein, zwei Figuren kennen, sie sind grob, holzschnittartig gezeichnet.
Das ist dann die maximale Individualisierung, die ›Der Hammer‹ zulässt, mehr Zeit gibt er dafür nicht her, denn, jalla! jalla!, die Handlung muss weiter, sie drängt vorwärts, sie balanciert auf hohem Niveau. Weil die Regie (Buch und Regie: Lars Kraume) bei den Personen nicht verweilen möchte, sattelt sie halt bei der Handlung drauf.
Ein Landrat wird ins Spiel gebracht, die Frage nach der Finanzierung des Projekts tut sich auf, nach Korruption. Dieser ›TATORT‹ erweitert nach und nach den Blickwinkel, nun wird es bedrohlich, im Pool treibt ein Opfer mit Drei, und Frank Thiel im Tiefschlaf bringt sich heftig in die Bredouille. All das begleitet stets ein spürbarer Hauch Komik, der Zuschauer ist amüsiert und überlegt, ob womöglich Lachen jetzt peinlich wäre.
Mit Humor und ohne
Das plumpe Moment ist raus aus diesem ›TATORT‹ aus Münster – wir werden nicht länger comedyhaft zum Lachen gedrängt, genötigt mit stammtischtriefenden Gags, wie albern. Sondern sie wollen uns zum Lachen verführen diesmal, die Situation macht uns das Angebot, den Witz wahrzunehmen, niemand und nichts drängt uns, wir verstehen, das ist ein grundlegender Unterschied, der uns in diesem ›TATORT‹ augenfällig vorgeführt wird, denn hier und da bricht noch comedyhaft der alte münstersche Gag durch, wie üblich mühsam und gewollt. Sie können es halt nicht lassen, doch diesmal, so geht’s, ist das pillepalle.
Intelligenter Humor ist wichtig, und wir dürfen froh sein, dass er bis auf wenige Ausnahmen zur Grundausstattung von ›TATORT‹ gehört, Humor ist eine Haltung der Kontemplation. Nicht einmal die Dänen können das, erinnern Sie sich? So gut ihre ›Kommissarin Lund‹ als Krimi war – die Kommissarin war verheiratet mit ihrem Beruf, sie war verbiestert und als Mensch hätte man wohl kaum mit ihr tauschen mögen. Ihr fehlte die Distanz zum Arbeitsalltag, der sie letztlich auffraß, ein Schuss Humor wäre da hilfreich gewesen.
Zurzeit läuft im ZDF ›Die Brücke‹, zweite Staffel, Serie aus Schweden. Saga Norén, Chef-Ermittlerin, leidet unter dem Asperger-Syndrom, sie tritt mechanisch auf, gefühllos, kontaktunfähig, wie von einem anderen Stern. Eine interessante psychologische Studie – doch, meine Güte, wie soll einer das auffassen? Als Plädoyer für mehr geistig Gestörte in Chefpositionen?
Frau Norén kann nun auch gar keinen Humor, sie ist grenzwertig wie ›Die Brücke‹ selbst, mehr apokalyptische Hysterie als Krimiformat, Ängste schürend, auf der Achse der TV-Unterhaltung bildet sie den Gegenpol zu Frau Pilcher, doch wir vergessen das gern und sind erleichtert, dass es auf diesen Seiten um ›TATORT‹ geht.
Strickmuster Comic
Der neu sortierte münstersche Humor ist ein Gewinn, Boerne signalisiert mit seinem gereiften Design – das Haar, es darf nicht wahr sein: tschillergestylt – auch neue Vorsätze. Besser spät als nie könnte man meinen. So weit, so gut, außer dass das Strickmuster Comic im Film schnell den Reiz verliert und man möglichst gleich nachdenkt, was beim nächsten Mal anders und zu verbessern wäre.
Nein, der Hammer ist dieser Münsteraner ›TATORT‹ nicht, doch man scheint mit Münster »in Würde altern« zu wollen, wie es Frank Thiel im Hinblick auf seinen Vater formuliert, und Boerne, unser postmodern designter Käptn Haddock, nimmt das entschlossen in Angriff. Jan Liefers hat, wie’s scheint, kapiert. Das weckt zaghafte Hoffnung und gleichermaßen zaghafte Neugierde auf nächste Folgen.
| WOLF SENFF
Titelangaben
›TATORT‹: Der Hammer (WDR)
Regie: Lars Kraume
Ermittler: Axel Prahl, Jan Liefers
So., 13. April, ARD, 20:15 Uhr
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Gregor Keuschnig zu Rüdiger Dingemann: »Tatort«-Lexikon
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