Kinderbuch | Jürg Schubiger: Schon wieder was
Wer eine Frage stellt, erwartet eine Antwort. Fragen richten sich meistens an einen, von dem man glaubt, er wisse mehr als man selbst. Ein lyrisches Frage-Antwort-Spiel auf Augenhöhe erwartet alle Neugierigen In ›Schon wieder was!‹ ANDREA WANNER ließ sich davon verzaubern.
Zwei große Namen machen neugierig und lassen einen voller Vorfreude ahnen, dass man sich auf etwas Besonderes gefasst machen darf. Die Auszeichnungen, die der Schweizer Autor Jörg Schubiger für seine Literatur, die er im Wesentlichen für Kinder schreibt und die immer auch Erwachsene erreichen, erhalten hat, reichen vom Deutschen Jugendliteraturpreis 1996 für ›Als die Welt noch jung war‹ mit Illustrationen von Rotraut Susanne Berner über den Hans Christian Andersen-Preis bis zum Rattenfänger-Literaturpreis, den er gemeinsam mit Aljoscha Blau 2014 für ›Das Kind im Mond‹ bekam.
Ohne Illustrationen ist sein Werk nicht zu denken und für ›Schon wieder was!‹ stammen die begleitenden Bilder von Erlbruch, dessen Liste an Auszeichnungen denen von Schubiger in nichts nachsteht. (Den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte Bilderbuch erhielt er 1993 für ›Das Bärenwunder‹.)
Zwei Könner tun sich zusammen, reimen und malen, kalauern und zeichnen, denken sich Wörter aus und schnippeln und kleben Collagen.
Eine Welt voller Wunder
Man muss genau hinhören und hinsehen, damit einem nichts von diesen besonderen Dialogen entgeht. Sie bilden jeweils eine Doppelseite – links der Text, rechts die Illustration – 16 Fragen, nein genau genommen 16 Mal dieselbe Frage »Was ist denn das?«. Was ist denn das? Fragt man, wenn man etwas nicht kennt, wenn man etwas Neues sieht, das noch nicht in das bestehende System an Begriffen und Dingen eingeordnet werden kann. Man braucht Hilfe, einen, der einem sagt, was es damit auf sich hat. Aber das ist nicht immer so einfach, wie sich das der Fragende vorstellt.
»Was ist denn das?« Der Blick fällt auf eine helle gelbe Fläche, die zu leuchten scheint. Nein, eher leuchtet das, was um die ovale Fläche herum ist. Es ist eher ein Loch im Leuchten, wie ein Durchblick in etwas Anderes, weiter Entferntes. Was ist das? Es sieht aus wie eine Sonne vor einem gelben Himmel, wobei sich der Gegenstand nicht deutlich vom Drumherum abgrenzt, sondern mit ihm zu verschmelzen scheint. Und die Antwort? »Das ist nichts. Ein kleines feines Reingarnichts. Wenn man’s fallen lässt, zerbricht’s.« Das Nichts als Gegenstand, das aus dem Nichtexistenten in die Welt geholte Nichts, das als etwas Zartes, Zerbrechliches beschrieben wird.
Oder das Gespräch über ein Tier. »Was ist denn das?« ›fig. 1‹ zeigt im Stil eines filigranen Stich aus einem alten naturkundlichen Buch eine Maus, genauer ›Eine Spitzmaus‹, zu erkennen an ihrer spitzen Schnauze, die wie ein scharf gespitzter Bleistift nach links zeigt. Bestätigung und Nachfrage folgen sofort: »Sieht wirklich ziemlich spitz aus. Gibt’s auch eine Stumpfmaus?«. ›fig. 2‹ entwirft diesen Nager mit platter Schnauze. Dazu die Antwort: »Die sähe nicht nach Maus aus, eher wie ein Meerschwein.« Und folgerichtig kommt die nächste Frage: »Gibt es eine Meermaus?«, die als ›fig. 3‹ mit Flossen und Fischschwanz zu sehen ist.
Es sind erstaunliche Dinge, nach denen da gefragt wird, die ganz nahe dran an unserer realen Welt sind und doch einen winzigen Tick anders. Die uns zum Hinschauen verleiten, zum Nachdenken, zum Lachen, zum Weiterspinnen, zum Staunen. Subtiler Sprachwitz und immer neue Ideen, wie man ihn in Bilder umsetzen könnte, führen zu 16 Kabinettstückchen für Groß und Klein. Und nach jedem Umblättern entdeckt man »Schon wieder was!«: einen Mann ohne Ohren, eine Fee, ein Puppenfresserbiest oder ein Warzenschwein. Und müssen gelegentlich sogar die Antwort »Ich weiß es nicht« aushalten. Weil auch das zu diesem Spiel gehört: die Erkenntnis, dass keiner alles weiß und das es Rätselhaftes, Erstaunliches und Unerklärliches gibt.
Titelangaben
Jürg Schubiger: Schon wieder was
Mit Illustrationen von Wolf Erlbruch
Wuppertal: Peter Hammer 2014
32 Seiten. 16,90 Euro
Kinderbuch ab 5 Jahren