/

Ich heiße Bishudo

Film | TV: ›TATORT‹ Mord ist die beste Medizin (WDR), 21. September

Nach ein, zwei ernsthafteren Folgen fällt der ›TATORT‹ aus Münster wieder auf die gewohnte Ulknudel-Schiene. Schade eigentlich. Der Kriminalfall selbst ist originell und im Großen und Ganzen realistisch angelegt, er tritt bei all den Frotzeleien und der angestrengten Komik in den Hintergrund. Von WOLF SENFF

Tatort: Mord ist die beste Medizin Foto: WDR/ FilmpoolFicition/ W.Ennenbach
Tatort: Mord ist die beste Medizin
Foto: WDR/ FilmpoolFicition/ W.Ennenbach
Ein kleines Mädchen beobachtet während eines Ausflugs einen Streit, sie sieht einen der Beteiligten bewusstlos von der Bank fallen. Er kann aufgrund des schnellen Eingreifens vom Notarzt gerettet werden und stirbt wenige Tage später doch überraschend auf der Intensivstation. Boerne traut diesem nach außen unverdächtigen Ablauf nicht, er nervt Ärzte und Personal. Im Endeffekt aber weckt eine unübliche Verbindung zwischen der anliefernden Apotheke und der Klinik den Argwohn der Ermittler.

Grober Witz

Boerne reizt seine Rolle als Hypochonder bis zum Überdruss aus, Thiehl wird wie in jedem Münsteraner ›TATORT‹ mehrmals durch einen Anruf oder ein Klingeln aus dem Schlaf geholt bzw. er schläft – das gab’s noch nicht – während eines nächtlichen Telefonats ein. Gut, Münster kultiviert eine eigene Art, komisch zu sein, dazugehört das Geflachse wegen Körpergröße bei Silke Haller/ »Alberich«, der Hinweis auf die Stimmlage bei Staatsanwältin Klemm, das gegenseitige Runterputzen bei Boerne und Thiehl.

All das immer gleich in hoher Dosierung, gut gemeint, aber auch eine Parodie braucht Sinn und Verstand, Comedy war achtziger, neunziger Jahre. Der Münsteraner ›TATORT‹ zelebriert seinen Ulk mit bisschen Kalauer, mit bisschen Klamotte; er hat sein Publikum, er ist eine eigenwillige Marke unter all den ›TATORT‹-Produktionen.

Frau Doktor Süßmilch trinkt Wasser

›Columbo‹ – sechziger, siebziger Jahre – feiert Urständ, als Thiel einer Verdächtigten eine beweiskräftige handschriftliche Notiz entgegenhält: »Ach so! Ach, fast hätt‘ ich’s vergessen…« Da hätte er beinahe schon das Zimmer verlassen, ihm fehlte nur Columbos Trenchcoat.

Das Schulmädchen in seiner naseweisen Art kann man für überspielt halten. »Ich glaub‘, das erzählen wir lieber nicht meinem Vater – der macht sich immer gleich Sorgen.« Ebenso den Bettnachbarn im Krankenhaus, der sich als »Bishudo« vorstellt und ausdauernd schnarcht. Nicht witzig. Auch die grotesk überzogene Spannung, bis Frau Doktor Süßmilch endlich ihr Wasser aus dem Glas trinkt, bringt uns nicht zum Lachen.

Das Drohpotenzial

Einem kurzen Auftritt von Thiels Vater fehlt jegliche Verbindung zur Handlung. Und als Boerne zu mitternächtlicher Stunde die Klinik verlässt – er konnte nicht einschlafen, weil sein Zimmernachbar schnarcht –, wird er rein zufällig zum Zeugen des Gesprächs zweier Tatverdächtiger. Zufälle gibt’s, alles ist möglich.

Seine Schwester Hannelore bleibt dem Format als ständige Drohung aus dem Off erhalten, Boerne selbst hingegen ist ständig anwesendes Drohpotenzial, er überdreht, ihn schreckt kein Fettnäpfchen. »Wie üblich!«, möchte man ergänzen. Nein, völlig unglaubwürdig ist das nicht. Nur dass es auf Dauer langweilig wird.

| WOLF SENFF

Titelangaben
›TATORT‹ Mord ist die beste Medizin (WDR)
Regie: Thomas Jauch
Ermittler: Axel Prahl, Jan Liefers
Sonntag, 21. September, 20:15 Uhr

2 Comments

  1. Auch ich fand die Beschreibung & Kritik viel mieser als der Tatort. Und wenn schon alles & jedes/jeder aufgezählt wird: die amüsanteste Figur wurde „vergessen“ (der Schreiber war wohl pinkeln). Der Schauspieler heißt Josef Ostendorf.

  2. zu negativ. Diese Kritik wirkt unecht, weil man das Gefühl bekommt, dass hier nur um des kritisierens willen
    kritisiert wird. Der Tatort Münster hat großen Erfolg und man kann das Publikum mit einer so überzogenen Kritik
    auch als „dümmer“ darstellen, als es ist.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Hoxton meets The pains of being pure at heart

Nächster Artikel

»Wie wollen wir leben?«

Weitere Artikel der Kategorie »Krimi«

»Optimist mit flexibler Planung«

Roman | Lee Child: Der Einzelgänger Er ist der wohl härteste Held der Thrillerliteratur: Jack Reacher. Ständig on the road mit nicht mehr als einer zusammenklappbaren Zahnbürste, einem zerfledderten Pass und einer selten gebrauchten Geldkarte, sorgt er seit seinem ersten Auftritt in Lee Childs Roman Killing Floor (1997, deutsche Übersetzung 1998 unter dem Titel Größenwahn) dafür, dass die Gerechtigkeit nicht auf der Strecke bleibt im Amerika des 21. Jahrhunderts. Von DIETMAR JACOBSEN

Unter Sündern

Comic | J.Muñoz/C.Sampayo: Alack Sinner

Die im Avant-Verlag erschienene Gesamtausgabe der vielfach prämierten Crime Noir-Comicreihe ›Alack Sinner‹ kompiliert erstmals alle 20 Storys um den New Yorker Privatdetektiv in deutscher Übersetzung. Die Straßen New Yorks werden da zur Echokammer der jeweiligen Fälle – und plätten die Leser*innen mit wimmelnder Wucht. Von CHRISTIAN NEUBERT

Aufgewühlte Wasser

Roman | Eva Björg Ægisdóttir: Verschwiegen

Elma ist nach Akranes zurückgekehrt. Nach dem Ende einer langjährigen Beziehung sucht die junge Kriminalpolizistin einen Neuanfang in ihrem Leben. Dafür scheint Akranes, wo es ruhiger zugeht als in Reykjavík, genau die richtige Umgebung zu sein. Doch schon kurz nach ihrer Ankunft erschüttert ein Tötungsverbrechen den Ort. Im Wasser vor dem alten Leuchtturm treibt eine tote Frau. Fieberhaft beginnen Elma und ihre neuen Kollegen Hörður und Sævar zu ermitteln. Und finden sich bald inmitten eines Falls, der weit in die Vergangenheit zurückreicht und in dem die Tote vom Leuchtturm nur die Spitze eines Eisbergs markiert. Von DIETMAR JACOBSEN

Relikte aus dem Kalten Krieg

Krimi | Oliver Harris: London Underground Nach London Killing (Blessing 2012), dem hochgelobten Debüt des britischen Autors Oliver Harris (Jahrgang 1978), liegt jetzt mit London Underground der zweite Fall für Detective Nick Belsey auf Deutsch vor. Diesmal bekommt es der Mann mit der dunklen Seite seiner Heimatstadt zu tun, muss hinunter in Schächte, geheime Atombunker und vergessene Bahnstationen, um eine Rachegeschichte aufzudecken, die zurückreicht bis in die Hochzeiten des Kalten Kriegs. Spannend, wendungsreich und aktueller, als man denkt. Von DIETMAR JACOBSEN

Ein Psychopath kommt nach Miami

Roman | Charles Willeford: Miami Blues Auch Thriller haben erste Sätze, die in den Bann ziehen können. So wie der in Charles Willefords 1984 zuerst erschienenem Roman Miami Blues. »Frederick J. Frenger jun., ein unbekümmerter Psychopath aus Kalifornien, bat die Stewardeß in der ersten Klasse um ein weiteres Glas Champagner und Schreibzeug«, heißt es da in der deutschen Übersetzung, die der sich schon emsig um das Werk von Ross Thomas kümmernde Berliner Alexander Verlag soeben in erweiterter und neu durchgesehener Auflage herausgebracht hat. Von DIETMAR JACOBSEN