Krimi | Daniel Friedman: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten
Baruch – genannt Buck – Schatz ist 87 Jahre alt, als er erfährt, dass der SS-Offizier, der ihn gegen Ende des Krieges in einem Gefangenenlager fast zu Tode gequält hat, noch lebt. Mit einem Goldbarren hat der Mann einen amerikanischen Posten – Bucks alten Kumpel Jim – bestochen und sich aus Deutschland abgesetzt. Jim quält nun auf dem Totenbett sein schlechtes Gewissen. Doch Buck denkt gar nicht daran, ihm zu verzeihen, sondern macht sich mit seinem Enkel auf, den Nazi Heinrich Ziegler und seinen Goldschatz zu jagen. Daniel Friedmans neuer Krimi: ›Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten‹ – in einer Besprechung von DIETMAR JACOBSEN
Eigentlich heißt Daniel Friedmans Roman im Original ›Don’t Ever Get Old‹. Aber weil im Moment ›Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand‹, ›Die Analphabetin, die rechnen konnte‹ und andere barocke Romantitel Konjunktur haben, hat sich der Aufbau Verlag die alte Börsenweisheit »The Trend is your Friend« zu eigen gemacht, um dem Buch eines literarischen Newcomers ein wenig Rückenwind zu verleihen.
Hätte er, ehrlich gesagt, gar nicht nötig gehabt. Denn Daniel Friedmans Roman ›Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten‹ über einen 87 Jahre alten Nazijäger spielt auf ganz erfrischende Art und Weise mit dem Thema des flüchtigen NS-Schergen, der, um unentdeckt zu bleiben, immer weitere Gräueltaten verüben muss, bis man ihn endlich stoppt.
Nazijäger mit 87 Jahren
Dabei will Buck Schatz am Anfang eigentlich gar nicht so richtig. Obwohl er als Ex-Polizist für die Sache prädestiniert scheint, ist der einst als harter Hund Geltende längst kein Draufgänger mehr. Stattdessen schätzt er die heimische Ruhe, schaut in die Glotze und raucht die geliebten Lucky Strikes. Aber da ist zum einen seine Frau Rose, die es nicht ausstehen kann, wenn Buck still vor sich hingrummelt und alle Fünfe gerade sein lässt. Und auch Enkel Billy, genannt Tequila, findet, dass man, wenn irgendwo ein Goldschatz lockt und ein noch immer lebender SS-Mann auf seine Bestrafung wartet, handeln muss.
Also macht sich unser 87-jähriger Held auf, um gemeinsam mit dem Nachkommen seines verstorbenen Sohnes für späte Gerechtigkeit zu sorgen. Daniel Friedman erzählt die Geschichte dieser Jagd, bei der Buck Schatz bald Konkurrenz bekommt und die Kugeln zu fliegen beginnen, aus der Perspektive seiner Hauptfigur. Immer ein wenig schusslig – schuld daran ist wohl die im Hintergrund lauernde Demenz –, aber auch gewitzt und schlagfertig, wenn es denn darauf ankommt, findet das ungleiche Duo Ziegler samt dessen Goldhort, muss aber bald erkennen, dass damit noch längst nicht alles gut ist.
Ein ungleiches Duo
›Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten‹ ist ein Buch, dem viele Leser zu wünschen sind. Das liegt zum einen an dem skurrilen Pärchen, das es gemeinsam auf eine Welt loslässt, in der Habgier und Hinterlist herrschen und man sich engagieren muss im Kampf gegen das Böse, weil dieses leider nicht von allein verschwindet. Wie Großvater und Enkel an der übernommenen Aufgabe wachsen und schließlich zu einem richtig gut eingespielten Team werden, ist amüsant zu lesen, steckt voller Lebensklugheit und Witz, der sich von »politischer Korrektheit« nicht ausbremsen lässt.
Zum anderen ist Daniel Friedmans Roman auch ein gutes Beispiel dafür, wie man ohne erhobenen Zeigefinger und übertriebene Pathetik für nachwachsende Lesergenerationen über eine Zeit schreiben kann, von der nicht nur die sie Überlebenden wünschen sollten, sie käme niemals wieder.
Titelangaben
Daniel Friedman: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten
Aus dem Amerikanischen von Teja Schwaner
Berlin: Aufbau Verlag 2014
320 Seiten. 17,99 Euro
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