Film | Im TV: Polizeiruf – Hexenjagd, 14. Dezember 2015
So geht’s auch, »sie war die Stärkste und hat alle Jungs verprügelt«, und außer dieser Sekretärin beeindruckt uns eine verhärmt und abgespannt auftretende Schuldirektorin. Über Schule zu reden oder gar einen Sonntagabendkrimi über Schule zu drehen, ist nicht zwangsläufig der Renner, im Gegenteil. Von WOLF SENFF
Vor Jahren gab’s ›Reifezeugnis‹, geschätzt siebter auf Bester-Krimi-seit-Urknall, und alle paar Monate sind sonntags Jugendliche mit Schulhintergrund in einen Fall verwickelt. ›Hexenjagd‹ spielt vor Ort, im Zimmer der Direktorin explodiert eine selbstgebastelte Bombe, eine Referendarin wird verletzt, der Kreis der Verdächtigen reicht von gestressten Schülern über den Hausmeister bis zu den Chemie- und Mathelehrern. Die Aufklärung ist gewissenhaft, zielstrebig, der Schluss überrascht und ist massiv sentimental, der Titel ist alarmistisch wie Frau Wieland, Vorsitzende des Elternrats. Sei’s drum.Emotion ist unverzichtbar
›Hexenjagd‹ ist ein konventioneller Krimi, der vor allem durch das beängstigend realistische Bild sehenswert wird, das er vom Schulalltag zeichnet. Schule, so der Eindruck, ist degeneriert zu einem seelenlosen Ausbildungsbetrieb, einem Zulieferer von qualifiziertem Menschenmaterial für ›die Wirtschaft‹, und niemand will’s gewesen sein.
Wer als ›Führungspersonal‹ daran mitwirkt, ist längst selbst verhärmt und seelenlos und händelt die Lehrerschaft je nach dem Beitrag, den sie für die Funktionsfähigkeit des Zulieferbetriebs leistet. Da wird halt einer in Frühpension geschickt und jemand anders wird von vornherein aus diesem Beruf expediert. Den für die eigene Arbeit notwendigen emotionalen Saft holt sich das ›Führungspersonal‹ halt aus Affairen mit abhängig Beschäftigten, so geht’s ja in anderen Büros auch zu.
Schule braucht Zeit
Man sollte nicht allzu sehr darüber nachdenken, sonst setzt ein nachhaltiges Gruseln ein angesichts dieser in ›Hexenjagd‹ sauber getroffenen Wirklichkeit. Ach ja, die Schüler. Fast hätte ich’s vergessen. Aber klar, heranwachsende Menschen, um die sich normal die Erwachsenen liebevoll kümmern sollten, werden in so einem Zulieferbetrieb aggressiv.
Wer ›die Erwachsenen‹ in diesem Falle sind? Gut gefragt. Nein, es sind nicht die Eltern oder kaum die Eltern. Spontan denkt man an »Bertelsmann Stiftung« und an neoliberale Politik zwecks Privatisierung von Bildung, es ist offenbar immer dasselbe – Schule braucht Zeit, Schule benötigt freien Raum, die hochgradige Verdichtung der Arbeit, wie sie aus Wirtschaft auf Schule übertragen wird, ist kontraproduktiv.
Ein lehrreicher Schauplatz
Die wichtigste Figur an der Schule ist der Lehrer, und so sehr wir ihn um seine Ferien beneiden mögen, so sehr gilt dennoch, dass es Sinn macht, wenn er stressfrei vor seine Schüler tritt. Ruhe ist wichtig in unseren Schulen und um unsere Schulen herum. Es geht um Menschen, nicht um Dose Cola oder Nagellack.
Soweit zur ›Botschaft‹, die wir diesem ›Polizeiruf‹ entnehmen. ›Hexenjagd‹ ist sehenswert, Olga Lenski und Horst Krause sind ein effektives Duo, und Schule kann, das nehmen wir so überrascht wie erfreut zur Kenntnis, auch über das Pensum hinaus ein interessanter, lehrreicher Ort des Geschehens sein, wir freuen uns über einen unterhaltsamen Sonntagabend. Schön sind übrigens auch einige dialogfreie Szenen, in denen tendenziell niederschmetternde Musik auf uns einprügelt, die das Geschehen jedoch atmosphärisch treffend untermalt.
Titelangaben
Polizeiruf 110 ›Hexenjagd‹ (Radio Berlin Brandenburg)
Ermittler: Maria Simon, Horst Krause
Regie: Angelina Maccarone
So., 14. 12., 20.15 Uhr, ARD