Jugendbuch | M.Hof,I.Kuijpers: Julia / M.Holzinger: Funkensommer
Zwei Taschenausgaben bereits erschienener Mädchenromane locken in diesem Frühjahr junge Leserinnen. Ein bisschen Probleme, ein bisschen (Liebes)Konflikt erwartet sie, eher ernsthaft angegangen in der fiktionalisierten Autobiographie einer jungen Balletttänzerin, ›Julia‹ von Marjolijn Hof, rundum rosig romanhaft in Michaela Holzingers Bauernhof-Roman ›Funkensommer‹. Von MAGALI HEISSLER
Eine Aufführung von Tschaikowskis Nussknacker weckt in der fünfjährigen Julia den Wunsch, Tänzerin zu werden. Da die etwas ältere Schwester schon Ballettunterricht hatte, ist der Einstieg leicht. Dann stellt sich heraus, dass Julia tatsächlich Talent hat. Julias Ehrgeiz ist geweckt. Ihre Eltern unterstützen sie, ab neun trainiert sie für eine Profi-Karriere. Immer besser werden, immer besser sein als andere, immer schlanker, immer das größte Ziel vor Augen, das bestimmt ihr Dasein von nun an.
Die Realität ist hart und wird täglich härter. Ihr Körper, ständig auf dem Prüfstand, wird zum Gegner. Er ist auch die Angriffsfläche für Kritik von außen. Auch ihr ist Julia täglich ausgesetzt. Zeit für Freundschaften, Zeit dafür, etwas anderes auszuprobieren, hat sie nicht. Die Konflikte wachsen mit den körperlichen Schmerzen und einer Lehrerin, mit der Julia nicht zurechtkommt. Schließlich, sie ist achtzehn, steht sie vor der Frage: weitertanzen oder aufgeben?
Der innere Kern
Marjolijn Hof, die in ihren Büchern für Kinder und Jugendliche immer bewiesen hat, dass sie ein scharfes Auge für deren eigentliche Probleme hat, zeigt hier, dass sie auch bestens zuhören kann. Die Geschichte, die erzählt wird, ist eine wahre. Eine junge Tänzerin hat sie ihr erzählt, Hof hat sie aufgeschrieben und herausgearbeitet, was wesentlich ist. Attraktiv ist der Aufbau der Erzählung, die Kapitelüberschriften geben das jeweilige Lebensalter Julias an, zuweilen auch dreimal in Folge, wenn etwa im Alter von vierzehn Jahren viel Wichtiges geschieht. So beginnt das Buch mit ›Achtzehn‹ und endet mit ›Achtzehneinhalb‹. Dazwischen liegt ein Kinder– und Teenagerleben.
Der Erzählton, ein persönlicher Bericht, aus dem Verletzlichkeit, Ehrgeiz und Selbsterkenntnis ganz nah neben Träumen, Schwärmen, aber auch Kleinlichkeit und Egoismus stehen, wurde beibehalten, was den Eindruck der Unmittelbarkeit verstärkt. Dass die wunderschöne Welt aus Musik, märchenhaften Kostümen und zarten Körpern, die zu schweben scheinen, eine harte Seite hat, die durchaus zerstören kann, wird sehr deutlich. Julia muss sich damit auseinandersetzen, ob ihr innerer Kern wirklich der Tanz ist.
Hannah, die Heldin von Holzingers ›Funkensommer‹ ist ebenfalls auf der Suche nach dem, was sie ausmacht. Wenn der Roman beginnt, ist sie alles andere als selbstbestimmt. Als Bauerntochter muss sie in der elterlichen Landwirtschaft mitarbeiten. Da ihr älterer Bruder krank geworden ist, muss sie sogar den überwiegenden Teil der Arbeiten übernehmen. Freizeit, mit Freundinnen unterwegs sein, ins Kino gehen, das kommt für sie nicht infrage. Finden ihre Eltern. Hannah ist anderer Ansicht, aber sie ist zu schwach, um sich durchzusetzen.
Drama, Baby, Drama
Leider verzichtet Holzinger weitgehend darauf, die innere Entwicklung ihrer Heldin zu zeigen. Sie ersetzt das durch eine beträchtliche Menge von Verwicklungen und vorgeblich aufregenden Ereignissen, eins dramatischer als das andere, die sie den Figuren zumutet. Krankheiten, Druck durch Eltern, Liebeskonflikte, Zerwürfnisse zwischen Freundinnen, düstere Familiengeheimnisse und zu guter Letzt auch Partydrogen in der örtlichen Disco brechen über die nichts ahnende Leserin herein. Drama, Baby, Drama, scheint das Motto zu lauten. Dass am Ende auch noch eine Handauflegerin einen dicken Knoten löst, passt zu dem ganzen unechten Arrangement. Das süße rosarote Ende auch. Selbst der Hintergrund der Geschichte, ein moderner Landwirtschaftsbetrieb, bekommt Kulissencharakter, die eingeflochtenen Sprüche aus dem Bauernkalender sind nette Garnitur. Die Wirkung verpufft, weil allen Figuren Tiefe fehlt. Hannah ist am Ende selbstbewusster, aber nur, weil sie tatsächlich keinen echten Widerstand erfahren hat. Die Probleme lösen sich in Luft auf, alle beteiligten Personen sind im Herzen gut.
Sehr schön und liebevoll ist die Ausstattung des Buchs, erfreulich, dass sie ins Taschenbuch übernommen wurde. Julia in der Geschichte von Hof/Kuijpers dagegen entwickelt sich und zieht die Konsequenz aus Eigenem, gegen innere und äußere Widerstände. Während ›Funkensommer‹ letztlich nur oberflächliche Unterhaltung bietet, ist ›Julia‹ auch für Leserinnen geeignet, die gern ein wenig über das Leben und eigene Entscheidungen nachdenken.
Titelangaben
Marjolijn Hof/Iris Kuijpers: Julia
(Als niemand kijkt, 2009). Übersetzt von Meike Blatnik
Weinheim: Gulliver(Beltz&Gelberg) 2015
135 Seiten, 6,95 Euro
Jugendbuch ab 14 Jahren
Michaela Holzinger: Funkensommer
277 Seiten. 8,95 Euro
Weinheim: Gulliver(Beltz&Gelberg) 2015
Jugendbuch ab 14 Jahren